Unter Verdacht
dabei abzuschweifen. Als Karen geendet hatte, räusperte sich einer der anwesenden Herren umständlich.
»Eine Frage, Frau Candela. Es ist uns – bekannt geworden, dass ihr Büro mit finanziellen Problemen belastet ist.«
»Welche Firma ist das nicht?« entgegnete Karen unbestimmt.
»Ja, da haben Sie sicher recht. Doch ich spreche nicht von Problemen allgemeiner Natur.« Stille breitete sich im Raum aus. »Ich spreche von dem drohenden Konkurs Ihrer Firma.«
Karen blieb äußerlich völlig unbeeindruckt. »Da wissen Sie mehr als ich«, erwiderte sie so gelassen wie möglich. Gleichzeitig fragte sie sich, wie viel die andere Seite wusste.
»Frau Candela, Sie können doch nicht leugnen, dass die Liquidität Ihres Architekturbüros stark eingeschränkt ist. Oder wie erklären Sie die angestrebten Immobilienverkäufe?«
»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Karen. Ihre Gedanken überschlugen sich. Entweder war man bei Kießling nervös und übersensibel oder wirklich informiert. Wenn ja, von wem? Hatte Reimann einen Fehler gemacht und sich verplappert? Der alte Hase? Wohl kaum. Sich und Sylvia konnte sie ebenfalls ausschließen. Blieb Gregor!
»Die Zusammenarbeit mit Ihnen wird für uns zum Risiko. Es ist durchaus denkbar, dass uns Ihre Firma in kürzerer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Damit gerieten wir in eine chaotische Situation. Das Projekt würde sicher für einige Zeit zum Stillstand kommen, bis wir einen anderen Planer finden, der die Entwürfe realisieren kann.« Eine Pause entstand. Dann der abschließende Satz: »Dem könnte man aus dem Weg gehen, wenn vorher eine geordnete Übergabe stattfindet.«
Schweigen. Karen sah konsterniert zu Reeder. Der saß mit betretenem Gesicht da. Karens Blick wanderte zu Sylvia. Die war ebenso perplex wie Karen.
Die Stille im Raum wurde überlaut. Karen wusste, sie musste etwas erwidern, wenn sie hier nicht überrollt werden wollte. Und es musste überzeugend klingen!
»Meine Herren«, begann sie, »die wirtschaftliche Lage des Büros Candela soll und kann hier nicht zur Debatte stehen. Nur soviel: Sicher, wir stehen unter großem Druck. Doch das tut unserer Arbeit keinen Abbruch. Und Sie stellen ja auch unsere Kompetenz nicht in Frage. Ich garantiere Ihnen die sachgerechte, reibungslose Durchführung Ihres Projektes.«
»Aber das können Sie in Ihrer Situation doch gar nicht. Und Sie wissen, dass wir an Termine gebunden sind. Wenn Sie, und sei es nur vorübergehend, durch andere – sagen wir Ereignisse – gebunden sind und ausfallen, steht unser Projekt still. Und dann kostet das unser Geld!«
Sylvia war der Debatte mit Besorgnis gefolgt. Jetzt trat sie Karen helfend zur Seite. »Meine Herren, Sie befürchten den Konkurs des Planungsbüros. Begründet oder nicht – ich empfehle, von einer übereilten Entscheidung Abstand zu nehmen. Die Übergabe an ein anderes Planungsbüro würde in jedem Fall Kosten verursachen. Sie wäre, geordnet oder ungeordnet, sehr zeitintensiv, kann also nicht in Ihrem Interesse liegen. Derzeit hat ›Candela & Partner‹ keinen Konkurs angemeldet, und ich bin mir sicher, dass dies auch nicht geplant ist. Ich schlage vor, Sie vereinbaren mit Frau Candela einen Termin in vier Wochen und sprechen erneut über die Thematik. Dann wissen Sie, ob und inwieweit Ihre Befürchtungen berechtigt sind. Ihnen bleibt dann immer noch genug Zeit zu reagieren, statt überzureagieren. Und wenn es sein muss, machen Sie einen weiteren Termin aus. Und so weiter.«
Blicke wanderten zwischen den einzelnen Anwesenden hin und her. Leises Flüstern, Kopfschütteln, erneute leise, aber heftige Diskussionen. Schließlich Kopfnicken. Man schien Sylvias Vorschlag akzeptabel zu finden. Karen atmete auf.
»Damit wäre ich einverstanden«, meinte sie.
»Gut.« Reeder, dem die ganze Prozedur sehr unangenehm gewesen war, hörte sich erleichtert an. »Dann haben wir, denke ich, einen akzeptablen Kompromiss für alle gefunden.« Er räusperte sich. »Ich hätte es wirklich sehr bedauert, wenn unsere Zusammenarbeit auf diese Art beendet worden wäre.«
Im weiteren Verlauf der Konferenz ging es weniger heftig zu. Trotzdem dauerte es noch zwei Stunden, bis alle Punkte der Tagesordnung mit einem Ergebnis abgeschlossen werden konnten. Anschließend fuhren Karen und Sylvia ins Hotel, wo durch Reeder Zimmer für sie reserviert worden waren.
»Wie wäre es mit einem gemeinsamen Abendessen im Hotelrestaurant?« fragte Karen.
»Ich habe keinen Hunger. Ich
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