Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
wurde zu Wasser gelassen, und Dirk und Summer paddelten das kurze Stück an Land. Während sie das Boot auf den Strand zogen, fegte eine Sturmböe landeinwärts und überschüttete sie mit Gischt.
»Als wir das letzte Mal auf einer Insel waren«, sagte Dirk, »hätte ich alles für einen solchen Sturm gegeben.«
Sie wanderten durch den Wolkenbruch am Ufer entlang und kämpften gegen die steife Brise an, die ihnen die Regentropfen ins Gesicht peitschte. Trotz der unfreundlichen Bedingungen entging Summer die raue Schönheit dieser Insel an der Südspitze Südamerikas nicht. Aber die Küstenlandschaft erschien im strömenden Regen zunehmend monotoner, und nach etwa einer halben Stunde Fußmarsch waren sie sich schon nicht mehr sicher, wo sie die seltsame Erscheinung gesehen hatten.
Sie blieben am Wasser stehen und inspizierten die umliegenden Felsformationen, bis Summer das Objekt schließlich weiter oben am Strand entdeckte. Es war eine rostige gewölbte Stahlplatte, etwa zwei Meter lang, die zwischen zwei Felsen verkeilt war.
»Wenn ich mich sehr weit aus dem Fenster lehne«, sagte Dirk, »würde ich auf den Teil eines U-Boot-Kommandoturms tippen.«
Summer nickte und blickte aufs Meer hinaus. »Wahrscheinlich ist sie auf diese Felsen aufgefahren und dann da draußen gesunken. Oder sie ist wieder aufs Meer hinausgetrieben.«
»Nein«, sagte Dirk, und seine Stimme klang überrascht. »Ich glaube, dass wir in die falsche Richtung schauen.« Er tippte Summer auf den Arm und deutete landeinwärts. Sie sah nichts als einen schmalen Kiesstrand. Dahinter erkannte sie eine mit Buschwerk zugewucherte Ausbuchtung am Fuß eines Felshügels. Der Strand war völlig kahl, daher blickte sie zu der Ausbuchtung hinüber – und ihr Mund klappte auf.
Aus dem Gebüsch, etwa zwanzig Meter weiter landeinwärts, ragten die Überreste des Kommandoturms.
Sie eilten über den Strand und drangen in das Dickicht ein, wo sie auf den Rumpf des U-Boots stießen, der von den dichten Büschen verhüllt wurde. Das Schiff war zu drei Vierteln vergraben, aber Dirk konnte erkennen, dass sie sich ihm von achtern genähert hatten. Wo sich einst ein Propeller befunden hatte, gewahrte er jetzt nur noch eine verbogene Antriebswelle. Sie gingen am Schiffsrumpf entlang bis zum freiliegenden Kommandoturm, der wie eine verlassene Burgzinne in die Höhe ragte. Summer kramte ein Schwarzweißfoto aus der Tasche und verglich es mit dem verrosteten Stahlkörper. Beides stimmte hundertprozentig überein.
Sie lächelte ihren Bruder an. »Das ist die Barbarigo .«
Sie erstiegen die Ruine des Kommandoturms und konnten von dort aus den imposanten Druckkörper des gesamten U-Boots im Unterholz erkennen.
»Wie ist es möglich, dass sie so weit oben gestrandet ist?«, fragte Summer.
»Wahrscheinlich dank einer besonders hohen Welle. Die Region um Kap Hoorn ist dafür berüchtigt. Es muss ein wahres Monster von Welle gewesen sein, dass sie die Barbarigo so weit landeinwärts getragen hat.«
Summer warf einen Blick auf den Bug. »Meinst du, sie hat noch ihre Fracht an Bord?«
Das war die Vierundsechzigtausend-Dollar-Frage – und der Grund für ihren eiligen Abstecher nach Feuerland. Denn Perlmutter hatte noch viel mehr zu Tage gefördert als nur das Logbuch des Seglers. Er hatte das Geheimnis der letzten Reise der Barbarigo entschlüsselt.
Angefangen hatte alles mit dem deutschen Naturwissenschaftler Oswald Steiner, der in Malaysia an Bord gekommen war. Steiner war, wie Perlmutter herausfand, ein hoch angesehener Physiker, der sich mit seinen Forschungen im Bereich der Elektromagnetik einen Namen gemacht hatte. Von den Nazis gezwungen, militärische Forschungen zu betreiben, befasste er sich – wenig engagiert – mit deren Atombombenprogramm, ehe er sich auf sein eigenes geheimes Projekt konzentrierte: eine magnetische Schienenkanone.
Steiner entwickelte die Theorie, dass ein Projektil, das mit enormer Geschwindigkeit abgefeuert wurde, bis zu fünfzig Meilen weit fliegen konnte und es den Deutschen ermöglichte, die Südküste Englands von der Normandie aus unter Beschuss zu nehmen. Damit dieses System funktionierte, benötigte er jedoch die stärksten Magnete der Welt, und zu deren Herstellung war ein ganz spezieller Rohstoff unabdingbar: Seltene Erden.
Im Jahr 1942 herrschte nur eine geringe Nachfrage nach Seltenerdmetallen, die ausschließlich unter großen Schwierigkeiten zu extrahieren und zu gewinnen waren. In Deutschland und den von ihm eroberten
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