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Untergang

Untergang

Titel: Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérôme Ferrari , Aus dem Französischen von Christian Ruzicska
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klar gewendet auf eine Zukunft zu, die endlich den Tod getilgt hatte. Die neue Welt rekrutierte ihre Gehilfen, um sie in die Kolonien zu verschicken, die notwendige Materie zutage zu fördern zur Errichtung ihres gefräßigen ruhmreichen Körpers, und sie zogen aus den Minen, dem Dschungel und den Hochebenen alles, was dessen unstillbare Gefräßigkeit verlangte. Bevor er aufbrach nach AOF, dorthin, wo einst die Ströme der Rivières du Sud flossen, dachte Marcel darüber nach, dass seine neue Würde als zukünftiger Funktionär es verlangte, dass er sich eine Frau nahm. Es gab im Dorf mehrere heiratsfähige Mädchen und Marcel bat seinen Bruder, der faulenzend auf seine erneute Einberufung nach Indochina wartete, bei deren Familien höchst diskret eine Nachforschung darüber anzustellen, welche von ihnen geneigt wären, einer eventuellen Anfrage günstig gegenüberzustehen. Jean-Baptiste berichtete schon am Folgetag über den Erfolg seiner Mission, indem er klarstellte, dass leider ein Übermaß an Diensteifer all seine Bemühungen um Diskretion habe zunichtewerden lassen. Er hatte seine Nachforschung in der Bar begonnen, wo er mit dem älteren Bruder einer Tochter aus gutem Hause gesprochen hatte. Sie hatten sich gegenseitig von ihrer größten Sympathie füreinander anregen lassen, bis hin zu dem Punkt, dass sie sich gemeinsam unter den Tisch tranken und einander in die Arme fielen, als Jean-Baptiste, von einer plötzlichen Eingebung erfasst, ihn öffentlich um die Hand seiner Schwester bat, im Namen von Marcel, welcher sich tatsächlich in einer nun nur noch delikateren Situation befand, da der Bruder des jungen Mädchens in seiner Freude darauf gedrängt hatte, die gute Neuigkeit prompt seinen Eltern zu verkünden, begleitet von einem auf der Höhe der Gefühle schwebenden Jean-Baptiste. Es kam nicht infrage, das Risiko einzugehen, diese Leute schwer zu beleidigen, indem man als Argument ein Missverständnis vorgeschützt hätte, eine solche Beleidigung hätte sie gewalttätig werden lassen können, und so musste Marcel die junge Braut akzeptieren, die ihm gemeinsam vom Schicksal und der ausschweifenden Geselligkeit seines Bruders geschenkt worden war. Sie war siebzehn Jahre alt und ihre schüchterne Schönheit tröstete Marcel zunächst, nach einigen Wortwechseln jedoch war er sich darüber klar geworden, dass sie von fast engelhafter Dummheit war, staunte sie doch beinahe über alles und ließ sie doch auf ihrem Ehemann einen Blick von so leidenschaftlicher Bewunderung ruhen, dass Marcel permanent hin- und hergerissen war zwischen Glückseligkeit einerseits und Gereiztheit andererseits, während das Schiff, das sie nach Afrika führte, unterm Felsen von Gibraltar entlangglitt und die Wasser des Atlantiks zerteilte. Mit den Ellenbogen auf die Reling gestützt bot sie ihre Unschuld den unbekannten Winden an und kostete mit der Zungenspitze das Salz der eisigen Gischtkronen, die sie auflachen und frösteln ließen, so sehr, dass sie sich in Marcels Arme flüchtete, der nicht wusste, ob er sie ins Gebet dafür nehmen sollte, sich so zur Schau zu stellen, oder aber ihr danken sollte für ihren kindlichen Schwung, er zögerte stets einen Augenblick, verunsichert und linkisch, zog sie dann aber schlussendlich immer wieder mit aller Kraft an sich, ohne Angst, ohne Abscheu, denn sie hatte den warmen und durchscheinenden Körper eines Engels noch vor dem Fall, der auf wundersame Weise aus einer Epoche aufgetaucht war, die noch keine Kenntnis besaß von den ungesunden Ausdünstungen der Sünde und von den Epidemien. Durch die Bullaugen hindurch wurden die fern liegenden Küstenstreifen immer wilder und wilder, riesige gebeugte Bäume wölbten sich über die Fluten an den Mündungen ausladender Flüsse, die in die grünen Wasser des Ozeans lang gestreckte Arabesken aus Schlamm zeichneten, die Hitze wurde stickig und Marcel verbrachte beinahe alle Tage mit seiner Frau in seiner Kabine im Bett, gern ließ er sie über seinem Gesicht auf die Knie gehen, die Hände gegen die Trennwand gestützt, keuchend und lachend hinter dem Vorhang ihres gelösten Haars, gern ließ er sie ihn betrachten und mit ihren Händen schülerhaft neugierig streicheln und mit hochgezogenen Augenbrauen jede Stelle seines Körpers berühren, als wollte sie sich versichern, dass er kein Gespenst sei, das sich bald schon auflösen würde bei Licht, er ließ sie sich in ihrer Nacktheit niedersetzen, unkeusch im Schneidersitz am Bettende, und er kroch zu

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