Untergrundkrieg
weg. Wie bei einem Schulfest. Man baut Modelle, die nach dem Fest wieder abgerissen werden. Genau so. Und wie bei einem Schulfest kann man dabei eine Menge lernen: über zwischenmenschliche Beziehungen, handwerkliche Fertigkeiten und alles Mögliche, das nicht sofort ins Auge sticht. Deshalb baut man etwas, nur um es anschließend wieder zu zerstören. Bei solchen Gemeinschaftsarbeiten lernt man auch sich selbst besser kennen.
Murakami: Vielleicht waren auch einfach die Baupläne schlecht?
Das kann auch sein ( lacht ). Jedenfalls waren das die Tatsachen, und es blieb mir nichts anderes übrig, als sie zu akzeptieren. So ist das doch mehr oder weniger in allen japanischen Unternehmen.
Murakami: Aber kein Unternehmen würde einen Damm bauen und ihn anschließend gleich wieder einreißen.
Stimmt, so weit würde niemand gehen.
Murakami: Gab es Leute, die sich über diese unwirtschaftliche Arbeitsweise beschwerten?
Ja, die gab es schon. Aber viele hielten auch den Mund. Eine Zeit lang arbeitete ich unter Herrn Murai in der Abteilung Wissenschaft. Damals wollten wir Trommeln herstellen und erforschten die Gerbmethoden für Schweinsleder. Wir stellten alles Mögliche an ( lacht ). Wir gerbten und forschten nach, welches Holz am besten geeignet ist. Dann wussten wir nicht, wo wir das Holz für die Trommeln hernehmen sollten – auf halbem Weg mussten wir aufgeben. Später entwickelten wir den Kosmo-Sauger, von dem ich schon gesprochen habe. Ein riesiger Luftfilter.
Im Zusammenhang mit diesem Projekt wurde ich ins Verteidigungsministerium versetzt. Das war 1994. Tolle Karriere, was? ( Lacht ) Vom Bau in die Wissenschaft und dann ins Verteidigungsministerium. Ich hielt das alles für ein Spiel und habe eigentlich nie angenommen, dass wir einen eigenen Staat schaffen wollten.
Meine Aufgabe bestand in der Wartung der Kosmo-Sauger; wir hatten etwa sechzig riesige Kosmo-Sauger installiert. Um ehrlich zu sein, es war schwieriger, die Dinger zu warten, als sie zu bauen. Sie machten immer irgendwelche Schwierigkeiten. Entweder tropften sie oder ein Motor fiel aus.
Murakami: In Satyam 7, wo das Sarin hergestellt wurde, gab es doch auch Kosmo-Sauger, nicht wahr?
Dort hatte ich keinen Zutritt. Sonst wäre ich jetzt auch nicht hier. Am 20. März 1995 befand ich mich in Satyam 2 in Kamikuishiki und erwartete eine Hausdurchsuchung. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir schon, dass die Polizei Razzien machte. Es waren auch ein paar Journalisten da. Aber als sich um neun Uhr noch nichts getan hatte, vermutete ich, sie würden nicht mehr kommen, und ging an die Arbeit. Ich machte das Radio an und hörte, dass in den U-Bahnen in Tokyo etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Wir durften eigentlich kein Radio hören, aber ich tat es trotzdem ( lacht ). Als ich mit meinen Kollegen darüber sprach, waren wir uns alle einig, dass Aum beschuldigt werden würde. Am übernächsten Tag gab es dann eine Razzia.
Murakami: Herr Inaba, geben Sie zu, dass eine Fraktion von Aum den Sarin-Anschlag durchgeführt hat?
Ja, das weiß ich natürlich. Wie ich vorhin schon sagte, gibt es zwar für mich noch viele ungeklärte Momente, aber die entsprechenden Personen haben gestanden und stehen vor Gericht. Also war es so.
Murakami: Inwieweit halten Sie Asahara dafür verantwortlich?
Wenn er schuldig ist, muss er natürlich dem Gesetz entsprechend verurteilt werden. Aber wie gesagt, für mich besteht eine große Kluft zwischen dem Asahara, den ich persönlich kenne, und dem Asahara, der vor Gericht steht … Als Guru, als religiöser Führer war er herausragend, deshalb möchte ich das erst einmal bis zum Ende verfolgen …
Ich habe Aum Shinrikyo sehr viel Gutes zu verdanken. Doch abgesehen davon muss man natürlich Schlechtes als schlecht erkennen und deutlich abgrenzen. Darum bemühe ich mich augenblicklich. In meinem Inneren. Wie meine Zukunft aussehen wird, kann ich noch nicht sagen.
Im Allgemeinen herrscht anscheinend der Eindruck vor, Aum Shinrikyo und der Buddhismus seien zwei völlig verschiedene Bewegungen. Ich möchte sagen, dass ich es viel zu einfach finde, Aum mit dem Etikett »Sekte« zu versehen und der »Gehirnwäsche« zu bezichtigen. Ich habe zehn Jahre meines Lebens bei dieser »Sekte« verbracht und ihr meine ganze Existenz gewidmet, auch wenn das etwas pathetisch klingt.
Murakami: Die tibetische Geheimlehre verlangt, dass Guru und Jünger ein untrennbares Eines sind. Dazu gehört die absolute Hingabe des Jüngers an seinen Guru. Aber
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