Untergrundkrieg
etwas aus. Ich sehe nicht fern. Für die Mahlzeiten wird gesorgt. Ich kaufe keinerlei Genussmittel. Die Umlagen kosten noch ein bisschen was. Zu zweit können wir von 60.000 Yen im Monat leben. Ein Student braucht heutzutage wahrscheinlich schon 100.000 Yen für sich allein, oder? Wir leben eben so, dass es gerade reicht.
Die Medien behaupten, Aum sei an allen möglichen Unternehmen beteiligt, aber auch das ist nicht richtig. Natürlich gibt es die Aum-Firma Aleph noch, aber es ist nicht einfach, sie weiterzuführen, solange die Polizei alle Transaktionen überwacht. Einige der Mönche und Nonnen sind alt und können nicht außer Haus arbeiten, andere Mitglieder sind krank. Für sie muss auch gesorgt werden. Alle müssen sich darum kümmern, dass auch diese Menschen Unterkunft und Nahrung haben. Schon deshalb können wir finanziell keine großen Sprünge machen.
Murakami: Was ist aus den Aum-Kindern geworden, die Sie damals unterrichtet haben?
Die meisten leben wieder in der Gesellschaft und gehen auf normale Schulen. Kinder kann man nicht mit Teilzeitarbeit ernähren, deshalb führen die Eltern, auch wenn sie Mönche und Nonnen waren, alle wieder ein weltliches Leben, um einer geregelten Arbeit nachgehen zu können. Obwohl ich vermute, dass es nicht so einfach für sie war, eine solche Arbeit zu finden.
Was aus den Kindern geworden ist, weiß ich nicht genau. Viele wurden ja gewaltsam von ihren Eltern getrennt, also nehme ich an, dass sich für die Kinder große Dramen abgespielt haben.
In unserem Unterricht wird prinzipiell nicht geschlagen, überhaupt wird keinerlei Gewalt angewendet. Unsere Methode ist es, die Dinge vernünftig zu besprechen und mit Logik zu überzeugen. Als Mönche müssen wir uns sehr strikt an unsere Vorgaben halten, sonst können wir nicht überzeugen. Man kann auch keinem das Rauchen verbieten, wenn man selbst da sitzt und raucht. Kinder beobachten genau, was Erwachsene tun. Einige der Kinder wurden in Heimen untergebracht. Ich nehme an, das Personal dort wird es nicht so ganz leicht haben ( lacht ).
»Es hatte große Ähnlichkeit mit einem Menschenversuch«
Hajime Masutani (1969 geboren)
Herr Masutani wurde 1969 in der Präfektur Kanagawa geboren und wuchs in einer ganz normalen Familie auf. Dennoch zog er sich schon als Kind immer mehr von seinen Eltern zurück und sprach schließlich kaum noch mit ihnen. Er interessierte sich weder für Sport noch für die Schule, zeichnete aber sehr gern und betätigt sich seit der Grundschule künstlerisch.
Später studierte er Architekturdesign. Die Religion interessierte ihn nicht, bis einige Sekten an ihn herantraten. Am meisten sagte ihm die Lehre der Aum Shinrikyo zu, und er wurde Mitglied.
Kurz vor dem Sarin-Anschlag kritisierte er einige Maßnahmen der Sekte und kam infolgedessen in Kamikuishiki in Einzelarrest. Er fühlte sich bedroht und floh. Kurz darauf wurde er aus der Sekte ausgestoßen.
Er ist ein Mensch, der die Dinge gern logisch angeht. Auch wenn er Aum Shinrikyo kritisch gegenübersteht, gibt es Punkte, von denen er überzeugt ist. Während seiner Askese-Übungen hatte er gelegentlich mystische Erfahrungen, hat aber kaum Interesse an »übersinnlichen Kräften«, Endzeitphilosophien und Verschwörungstheorien über die Freimaurer. Diese Tendenzen bei Aum missfielen ihm bereits, als er noch Mitglied war. Dennoch hat er die Gemeinschaft erst verlassen, als sein Leben offenbar in Gefahr war.
Heute hält er seine ehemalige Mitgliedschaft bei Aum geheim, lebt von Aushilfsjobs und wohnt allein. Während unseres Gesprächs war er mir gegenüber sehr offen.
Ich bin in meinem Leben nie auf größere Schwierigkeiten gestoßen oder war unglücklich. Nur dass ich ständig das Gefühl hatte, dass irgendetwas fehlte. Die Kunst zog mich stark an, aber dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, mein Leben mit dem Malen von Bildern zu verbringen und damit mein Geld zu verdienen. Als ich an der Uni war, stieß ich in einem Buchladen auf ein Buch über Aum, das mich faszinierte. Vielleicht konnte ein religiöses Leben mir helfen, meinem wahren Ich näher zu kommen.
Das erste Aum-Dojo, das ich besuchte, war in Kyoto. Als ich davon hörte, war ich gerade allein in Kansai unterwegs und beschloss, es mir anzuschauen. Die Räumlichkeiten waren gemietet und sehr schlicht.
Auch der Altar war sehr einfach. Nicht wie bei einigen Sekten, die einen unheimlichen Aufwand treiben und mit ihrem Geld herumprotzen. Die Anhänger waren ebenfalls einfach
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