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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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die von Menschen, die qualvolle Schmerzen erleiden. Wirklich verzweifelt. Als wäre der Raum in sich verdreht. Während ich arbeitete, hörte ich immer wieder ihre Mitleid erregenden Rufe: »Meister! Meister! Hilf mir! Ich tue es nie wieder!« Es lief mir kalt den Rücken hinunter, wenn ich sie hörte.
    Natürlich kann auch extreme Askese einen Sinn haben. Aber was derartige Foltermaßnahmen bringen sollten, konnte ich nicht begreifen. Seltsamerweise sind gerade die Leute, die man aufgehängt hat, bei Aum geblieben. Man hat sie grausam gequält, fast umgebracht und zum Schluss freundlich zu ihnen gesagt: »Du warst sehr tapfer.« Deshalb dachten sie wahrscheinlich: »Ich habe es geschafft, die mir auferlegte Prüfung zu bestehen. Mein Guru, ich danke dir!«
    Es konnte natürlich auch etwas schief gehen, sodass jemand starb. Sie haben es uns zwar nicht gesagt, aber Naoki Ochi ist auf diese Weise ums Leben gekommen. Irgendwann gingen sie dazu über, bei den Initiationen Drogen einzusetzen. Leute, die sich auskannten, sagten, es sei LSD . Man kriegt Visionen und so was, wobei ich stark bezweifle, dass das der Weg zur Erleuchtung ist. Es gab immer wieder Gerüchte, dass jemand bei den Askese-Übungen gestorben sei, oder dass ein Fluchtplan aufgedeckt wurde und mit dem Schuldigen irgendetwas Grausames gemacht wurde. Aber bei Aum blieben Gerüchte immer Gerüchte, und es gab nie eine Möglichkeit, sich zu vergewissern, ob sie stimmten oder was an ihnen dran war. Außerdem gab es immer die Ausrede, dass alles im Sinne des Tantra-Vajrayana geschah, mit dem Ergebnis, dass der Sinn der Anhänger für das Richtige und Falsche gestört wurde und letztlich jedes Gespräch mit dem Satz endete: »Es war eine Erlösung.«
    Es kursierte auch das Gerücht, dass Spione eingeschleust worden seien, und es wurden Lügendetektoren eingesetzt, um sie ausfindig zu machen. Sie nannten das auch Initiation, und alle Mitglieder hatten sich einem Lügendetektortest zu unterziehen. Das fand ich nun wirklich sonderbar. Wenn der Guru doch alles wusste, was bei Aum vor sich ging, hätte er doch einen Spion auf den ersten Blick erkannt, wozu brauchte er also einen Lügendetektor? Das war mir ein Rätsel.
    Außerdem wurde ich über meinen besten Freund befragt, der in Isolationshaft war. Ich musste vor dem Lügendetektor alle möglichen Fragen beantworten. Darunter waren auch einige peinliche, die ich nicht beantworten konnte. Nach dem Test sagte ich zu den Oberen: »Warum fragt ihr solche Sachen? Ich sehe keinen Sinn darin.« Es waren obszöne Fragen über persönliche, sehr private Dinge, die nichts mit der Sache zu tun hatten und nichts klärten. Offenkundig hatte ich meine Oberen damit verärgert. Kurz darauf befahl Tomomitsu Niimi mir, meine Sachen zu packen. Ich würde versetzt. Stattdessen steckten sie mich in Isolationsarrest. Als ich nach dem Grund fragte, bekam ich keine Antwort. Allmählich verstand ich gar nichts mehr. Obwohl asketische Übungen eigentlich der Erleuchtung dienen sollten, wurden sie jetzt zu einer Form der Strafe.
    Die Isolationszelle hatte die Größe einer Tatami. Ich glaube, insgesamt gab es zehn solcher Zellen. Die Tür war von außen verschlossen. Obwohl es Sommer war und heiß, lief eine Elektroheizung. Man ließ mich flaschenweise ein spezielles Aum-Getränk trinken und in der Hitze wieder ausschwitzen. Anscheinend sollte ich irgendetwas Schlechtes ausscheiden. Natürlich durfte ich nicht baden und war völlig verdreckt. Der Schweiß lief nur so an mir runter. Es gab keine Toilette, nur einen Nachttopf. Mir war schummrig, und ich konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen.
    Murakami: Sie hätten sterben können!
    Ja, damals erschien es mir leicht, und ich wäre gern gestorben. Aber Menschen sind ja in schlimmen Situationen besonders zäh. Die meisten von denen, die man isoliert hatte, wankten entweder schon in ihrem Glauben oder waren sowieso ganz unwichtig. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wann sie mich wieder rauslassen würden. Am Anfang beschloss ich, die Zeit für ernsthafte Übungen zu nutzen. »Jammern hilft nicht, so komme ich hier nie raus«, sagte ich mir. »Ich muss positiv denken, durchhalten und auf diese Weise vorwärtskommen.«
    Zu unseren täglichen Übungen gehörte eine Initiation, die sich »Einführung ins Bardo« nannte. Man wurde in einen anderen Raum geführt, bekam die Augen verbunden, die Hände auf den Rücken gefesselt und musste kerzengerade sitzen. Dann wurden, als träte der Große

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