Untergrundkrieg
glaubte ich an ihn.
Bevor ich Mönch wurde, engagierte ich mich pflichtgemäß bei der Wahlkampagne, weil der Guru es wünschte. Ich tat, was ich konnte, aber ich interessierte mich nicht wirklich für den Wahlkampf. Bei allem fragte ich: »Was soll denn der Quatsch?« So als wäre ich nicht einverstanden mit dem, was vorging ( lacht ). Aber für mich war eben die »Erleuchtung« das Wichtigste, und alles andere hielt ich für absolute Zeitvergeudung. Wenn man selber zweifelt, erleuchtete Jünger aber sagen, es sei richtig, hat man selbst wohl nicht verstanden, worum es geht. Das ist ein typisches Denkmuster bei Aum-Anhängern: Ich verstehe es zwar nicht, aber bestimmt hat es einen tieferen Sinn.
Meine Familie war gegen Aum, aber mit unserem Familienleben war nie viel los gewesen, und es bedeutete mir nicht viel. Ich warf das Studium hin, gab meine Wohnung auf, verteilte meine Besitztümer und zog erst mal in die Aum-Zentrale am Fuji. Jeder durfte nur zwei Koffer mitbringen. Das war 1990, und ich gehörte zu den ersten Mönchen.
Danach wurde ich nach Naminomura bei Aso geschickt. Damals stand dort noch nichts, und wir mussten mit den Bauarbeiten beginnen. Als Erstes sollten wir einen Hügel abtragen, um einen ebenen Bauplatz zu schaffen. Man hatte mich dorthin geschickt, weil ich Architekturdesign studiert hatte. Obwohl ich an der Uni nur gezeichnet hatte, wurde ich sogar Mitgliedern vorgezogen, die viel kräftiger gebaut waren. Ich dachte, es läge vielleicht ein Irrtum vor, aber man schickte mich trotzdem hin. Nach einem Tag Arbeit sagte ich zu meinem Vorgesetzten Naropa [Fumihiko Nagura]: »Ich kann das nicht.« Ich war einfach körperlich nicht stark genug für diese Arbeit. Also wurde ich in die Hauswirtschaftsabteilung versetzt. Ich bereitete Mahlzeiten zu und war für das Einsammeln der Wäsche zuständig. Es fiel mir schwer, mich an dieses Leben zu gewöhnen, aber weil ich überzeugt war, es sei ein Akt der Hingabe, die Pflichten, die mir der Guru auferlegte, zu erfüllen, riss ich mich zusammen. Allmählich gewöhnte ich mich an alles und fand es ganz normal.
Aber viele gaben auf. Die Arbeit in Aso war sehr schwer. Ich blieb, weil ich alles aufgegeben hatte und mir einbildete, nicht zurück zu können. Und irgendwie empfand ich auch eine Art von Befriedigung. Das Essen nannte sich »Aum-Küche« und bestand aus altem Reis und gekochtem Gemüse. Wenn man eine Weile von so was lebt, denkt man ständig an irgendwelche Leckerbissen, die man gerne essen würde. Aber ich betrachtete dies als Teil meiner Schulung und versuchte, mich von solchen Begierden unabhängig zu machen. Da ich schon länger fast vegetarisch gelebt hatte, machte mir das mit dem Essen auch nicht so viel aus. Die Erleichterung, von allen Bindungen des weltlichen Lebens befreit zu sein, überwog.
Wie lange war ich eigentlich in Naminomura? Es gab keine Kalender, deshalb merkte ich nicht, wie die Tage vergingen. Ich glaube, es war ziemlich lange. Wir stellten mehrere Gebäude fertig. Wenn man so lange von der Außenwelt abgeschlossen ist und ein so einfaches, eintöniges Leben führt, geht einem nach und nach vieles auf die Nerven. Ich geriet allmählich in einen Konflikt zwischen meinem stagnierenden Alltag, den ich als Sackgasse empfand, und meiner Suche nach Erleuchtung.
Später wurde ich in die Trickfilm-Abteilung in der Zentrale am Fuji versetzt. Inzwischen fanden in Aso keine wichtigen Aum-Aktivitäten mehr statt, sie hatten den Ort völlig abgeschrieben, und ich war, ehrlich gesagt, heilfroh, ihn verlassen zu können. An meinem neuen Arbeitsplatz zeichnete ich Bilder für Trickfilme, ziemlich einfaches Zeug. Sie illustrierten die übersinnlichen Kräfte von Herrn Matsumoto. Wie er durch die Luft schwebt und so weiter. Ich fand, man hätte einen richtigen Film machen müssen, denn wer lässt sich schon von einem Cartoon überzeugen? Die Ergebnisse waren überhaupt nicht zufriedenstellend. Zu der Zeit hatte ich öfter Gelegenheit, mit Herrn Matsumoto zusammenzutreffen, und wurde immer misstrauischer und ungläubiger, was ihn und Aum anging.
Nach all diesen verschiedenen Jobs erhielt ich von Shoko Asahara endlich die Anordnung: »Du beginnst jetzt mit deinen Askese-Übungen.« Zu dieser Schulung gehörten Lernen, Meditation und Anbetung. Teile davon waren spirituell sehr befriedigend, aber auch anstrengend. Wir saßen den ganzen Tag, außer wenn wir zu den Mahlzeiten gingen und wenn wir auf die Toilette mussten. Wir mussten sogar im
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