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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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wichtig nahm. Wenn ich gestorben wäre, wäre das eben ein Unfall gewesen.
    Ich male jetzt als Hobby und mache Holzschnitte. In meiner Nähe wohnt ein Berufsmaler, der mir Unterricht gibt. Abends und am Wochenende male ich. Meist Aquarelle, Landschaftsbilder, mir gefallen ruhige Motive. Ich bin gern allein oder unterhalte mich mit dem Maler. Auch noch in meinem Privatleben über Garnelen zu sprechen, habe ich nicht die geringste Lust.

»Zum Glück war ich eingenickt«
Aya Kazaguchi (23)
    Frau Kazaguchi ist in Machiya, im Bezirk Arakawa, geboren und hat immer dort gelebt. Es gefällt ihr dort sehr, und sie möchte nirgendwo anders hinziehen. Sie wohnt bei ihren Eltern. Ihre kleine Schwester ist vierzehn Jahre jünger als sie. Obwohl sie Geld verdient und eigentlich ein unabhängiges Leben führen könnte, sitzt sie noch bei ihren Eltern im »Nest«.
    Nach der Oberschule besuchte sie eine Handelsschule und lernte EDV und Buchhaltung. Danach fand sie eine Stelle in einer Textilfirma und ist für eines der firmeneigenen Labels zuständig, eine exklusive Kollektion, die auf den verspielten »Rüschengeschmack« junger Mädchen und Frauen aus besseren Kreisen zielt. Ihre Stelle hat sie durch Beziehungen ihres Vaters bekommen, der ebenfalls in der Textilbranche arbeitet. Frau Kazaguchi hat zwar kein ausgeprägtes Interesse an Textilien, aber sie ist froh, dass sie bei ihrer Arbeit ihre Computerausbildung einsetzen kann.
    Ihre Hobbys sind Reggae, Snowboard- und Skateboardfahren und Surfen. »Ich bin eine Banausin«, sagt sie von sich und lacht. Sie treibt gern Sport mit ihren Freunden, von denen sie viele schon in der Grundschule kannte. Die meisten von ihnen sind auch in Machiya geblieben.
    Sie ist ein fröhlicher, sportlicher Mensch und scheint ihre Ungebundenheit in vollen Zügen zu genießen. Mit ihrer unbekümmerten und frischen Art gefällt sie sicher auch den jungen Männern. Nicht zu reden von ihrem schönen glatten Haar, das ihr bis zur Taille reicht. Übrigens könnte sie dem Alter nach meine Tochter sein – ihre Mutter ist so alt wie ich.

    Von Machiya brauche ich ungefähr vierzig Minuten bis ins Büro. Vom Bahnhof Machiya nehme ich die Chiyoda-Linie bis Nijubashimae, gehe zu Fuß zum Bahnhof Yurakucho und steige dort in die Yurakucho-Linie nach Shintomicho ein. Meist komme ich dann um fünf nach neun in der Firma an. Die Arbeit beginnt um zwanzig nach, also habe ich immer noch ein bisschen Zeit. Ich bin noch nie zu spät gekommen. Ich nehme fast immer die gleichen Bahnen.
    Sie sind immer total überfüllt. In der Chiyoda-Bahn zwischen Machiya und Otemachi ist es am schlimmsten. Man kann nicht mal die Arme bewegen. Beim Einsteigen werden die Leute einfach reingedrückt. Natürlich sind auch Grabscher in der Bahn. Ekelhaft!
    In Otemachi gibt es viele Umsteigemöglichkeiten, und danach wird es ein bisschen leerer. Nijubashimae ist schon die nächste Haltestelle, also ist meine Bahn eigentlich fast die ganze Zeit so voll, dass man sich nicht rühren kann, nur einfach starr dastehen. Ich bemühe mich, einen Stehplatz an der Tür zu kriegen, und nicke, gegen die Masse von Leuten gelehnt, ein bisschen ein. Ja, wirklich, ich kann im Stehen einschlafen. Die meisten können das. Ich mache einfach ganz gemütlich die Augen zu. Bewegen kann man sich sowieso nicht, also habe ich es so bequemer. Die Gesichter der anderen Leute sind auch so nah – ungefähr so … Also schließe ich lieber die Augen und mache ein Nickerchen.
    Der 20. März war ein Montag, stimmt’s? Ja, genau, Montag. Montags haben wir immer schon ab halb neun eine Besprechung. Deshalb bin ich an dem Tag schon um zehn vor acht aus dem Haus gegangen und mit einem früheren Zug gefahren. Der war natürlich etwas leerer. Ich bin eingestiegen, habe mich in meinem Eckchen zwischen den Sitzen und der Tür zu meinem Nickerchen eingerichtet.
    Ich steige immer durch die zweite Tür in den ersten Wagen ein. Ich quetsche mich in die Ecke an der Tür und rühre mich nicht mehr vom Fleck. Aber in Nijubashimae ist der Bahnsteig auf der anderen Seite, und ich muss mich in Otemachi zur anderen Tür durchwursteln.
    An dem Tag auch. Dazu muss ich aber die Augen aufmachen, stimmt’s ( lacht )? Plötzlich kriegte ich keine Luft mehr und hatte so einen starken Druck auf der Brust. Ich versuchte, tief einzuatmen, aber es klappte nicht richtig. Das fand ich komisch und dachte, es käme bestimmt vom frühen Aufstehen ( lacht ). Ich bin eine, die nur schwer aus dem Bett kommt.

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