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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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oder so. Es war kein stechender Geruch, eher süßlich wie nach etwas Verfaultem. Auch nicht wie Farbverdünner. In unserer Werkstatt werden ja auch Wagen gespritzt, also weiß ich, wie Farbverdünner riecht. Er sticht einem auch nicht so in die Nase wie dieses Zeug.
    Immerhin kriegte ich einen Sitzplatz, und was war dagegen das bisschen Gestank. Als ich saß, schloss ich die Augen und schlief ein. Normalerweise lese ich in der Bahn, aber es war Montag, und ich war müde. Ich schlief eigentlich nicht richtig, sondern döste nur so. Geräusche nahm ich noch wahr. Deshalb sprang ich reflexartig auf, als die Durchsage »Nakano-Sakaue« kam, und stieg aus.
    Es war düster. Die Lampen auf dem Bahnsteig leuchteten nur schwach. Mein Hals fühlte sich ganz trocken an, und ich musste husten, ein schlimmer trockener Husten. Am Ausgang des Bahnhofs sind ein Trinkbrunnen und eine Bank, und ich beschloss, mir dort den Mund auszuspülen. Da hörte ich, wie ein langer, junger Bahnbeamter schrie: »Jemand ist ohnmächtig geworden!« Als ich mich noch einmal umdrehte, sah ich, dass der Mann in der Bahn nun ganz zusammengebrochen war und ausgestreckt neben den Sitzen lag.
    Mir ging es selbst nicht allzu gut. Ich gurgelte an dem Trinkbrunnen. Die Nase lief mir, und meine Knie zitterten. Weil ich keine Luft bekam, setzte ich mich erst mal auf die Bank. Ungefähr fünf Minuten später wurde der bewusstlose Mann auf einer Bahre weggetragen, und der Zug fuhr weiter.
    Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war. Inzwischen war es stockdunkel vor meinen Augen, obwohl ich eigentlich keine Schmerzen oder so hatte. Meine Nase hörte nicht auf zu laufen, und ich keuchte, als hätte ich gerade einen Marathonlauf hinter mir. Meine Knie zitterten, und überhaupt fühlte sich die ganze untere Hälfte meines Körpers kalt und verkrampft an.
    Insgesamt wurden etwa fünf oder sechs Fahrgäste in das Bahnhofsbüro gebracht, zwei auf einer Bahre. Die Bahnbeamten hatten auch keine Ahnung, was los war. Vier oder fünf von ihnen standen ratlos herum und fragten, was passiert sei. Nach zwanzig oder dreißig Minuten kam dann die Polizei, um uns zu befragen. Obwohl es mir ziemlich schlecht ging, versuchte ich möglichst deutlich zu sprechen. Einige hatten das Bewusstsein verloren, und ich hatte Angst zu sterben, wenn ich auch bewusstlos würde. Deshalb versuchten sie, uns zum Reden zu bringen, vermutete ich, und ich zwang mich zu sprechen.
    Mittlerweile ging es auch den Bahnbeamten schlecht. Es wurde dunkel vor ihren Augen. Wir waren alle mindestens vierzig Minuten in dem Büro, und die Beamten hatten die gleiche Luft geatmet. Wahrscheinlich ist ihnen deshalb schlecht geworden. Es wäre besser gewesen, früher nach draußen zu gehen.
    Endlich gingen wir nach oben. Die Feuerwehr hatte in einer Gasse eine provisorische Notaufnahme eingerichtet. »Setzen Sie sich erst mal hierhin«, sagte man uns. Aber es war so schrecklich kalt. Viel zu kalt, um auf einer dünnen Plastikplane auf dem Boden zu sitzen. Immerhin war es ja erst März. Ich stützte mich auf ein Fahrrad, das dort abgestellt war. »Du darfst nicht bewusstlos werden«, sagte ich mir unentwegt. Zwei Leute legten sich hin, aber die anderen lehnten sich wie ich nur irgendwo an. Es war wirklich zu kalt. So vergingen zwanzig Minuten. Vierzig Minuten waren wir im Dienstraum gewesen, zwanzig Minuten draußen, also verging insgesamt eine Stunde, ohne dass jemand von uns behandelt wurde.
    Weil wir nicht alle in den Krankenwagen passten, wurde ich mit einem Polizeibus ins Nakano-Krankenhaus gebracht. Dort musste ich mich hinlegen und wurde untersucht. Das Ergebnis war offenbar nicht gut, und ich wurde gleich an einen Tropf gehängt. Im Polizeiwagen hatte ich im Radio etwas über die Symptome der Vergiftung gehört und begriffen, dass ich wahrscheinlich vergiftet worden war. Also war zu diesem Zeitpunkt das Nakano-Krankenhaus schon informiert, dass es sich um Sarin handelte. Trotzdem trugen wir noch unsere sarinverseuchte Kleidung, und bald litt auch das Krankenhauspersonal unter Augenbeschwerden.
    Den ganzen Vormittag war mir furchtbar kalt. Sogar unter einer Heizdecke klapperte ich vor Kälte. Mein Blutdruck war bei 180, normalerweise habe ich, glaube ich, höchstens 150. Trotzdem war ich nicht beunruhigt, eher verwirrt.
    Am Ende war ich zwölf Tage im Krankenhaus. Ich hatte grausame Kopfschmerzen. Schmerzmittel wirkten nicht. Das war wirklich qualvoll. Die Kopfschmerzen kamen und gingen den ganzen Tag über in

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