Untergrundkrieg
Wellen, mal stärker, mal schwächer. Hohes Fieber hatte ich auch. Zwei Tage lang fast vierzig Grad.
In den ersten drei, vier Tagen hatte ich Krämpfe in den Beinen und schlimme Atembeschwerden, als stecke mir etwas im Hals. Sehen konnte ich auch nicht richtig. Wenn ich aus dem Fenster schaute, sah ich überhaupt nichts Helles. Außerdem war alles verschwommen. Dinge in größerer Entfernung konnte ich überhaupt nicht erkennen.
Ich bekam fünf Tage lang Infusionen. Dann war mein Cholinesterase-Wert wieder annähernd normal, und der Tropf wurde abgenommen. Auch meine Pupillen erholten sich langsam wieder, aber wenn ich meinen Blick auf einen bestimmten Punkt richtete, durchzuckten Stiche wie elektrische Schläge meine Augen. Oder als würde mit Nadeln hineingestochen.
Nach meiner Entlassung ließ ich mich für einen Monat krankschreiben, um mich zu erholen. Ich litt immer noch an furchtbaren Kopfschmerzen. Außerdem war ich noch so wacklig auf den Beinen, dass ich unterwegs zur Arbeit womöglich gestürzt wäre.
Morgens wachte ich schon mit Kopfschmerzen auf. Wie bei einem heftigen Kater. Mein Kopf dröhnte bei jedem Pulsschlag, jedem Herzschlag. Obwohl dieser Zustand anhielt, nahm ich keine Medikamente und hielt die Schmerzen irgendwie aus. Nach einer Sarin-Vergiftung noch ein falsches Medikament zu nehmen, wäre nicht gut, dachte ich mir, und verzichtete ganz auf Kopfschmerztabletten.
Einmal in der Woche, am Mittwoch, fuhr ich ins Nakano-Krankenhaus, um mich untersuchen zu lassen. Augen, Brust und so weiter. Meine Pupillen waren wieder normal, aber die Ärzte konnten sich auch nicht erklären, warum es mir solche Schmerzen bereitete, einen bestimmten Punkt zu fixieren.
Ich hatte mir also den ganzen April freigenommen und begann Anfang Mai nach den Feiertagen wieder mit der Arbeit in unserem neuen Showajima-Center. Wir stellten Schreibtische auf, schlossen Computer an und arbeiteten den ganzen Tag durch bis spät in den Abend hinein. Ehrlich gesagt, das war ziemlich dumm von mir, denn ich hatte immer noch Kopfschmerzen. Am schlimmsten waren sie, als im Juni die Regenzeit einsetzte. Ich hatte permanent das Gefühl, als drücke etwas sehr Schweres auf meinen Kopf. Und der stechende Schmerz, wenn ich etwas fixierte, kam auch immer wieder.
Ich hatte Angst, mit der Bahn zu fahren. Sobald sich die Türen schlossen, bekam ich furchtbare Kopfschmerzen. Sobald ich ausgestiegen und durch die Sperre nach draußen gegangen war, hoffte ich auf Besserung, aber der Druck auf meinen Kopf wollte nicht weichen. Konzentrieren konnte ich mich überhaupt nicht. Wenn ich mich über eine Stunde mit jemandem unterhielt, kriegte ich schon Kopfschmerzen. Das ist heute noch so. Als ich Mitte April bei der Polizei meine Aussage zu Protokoll gab, war ich völlig erledigt, aber das hat auch fünf Stunden gedauert.
Nach einer Woche Urlaub im August verspürte ich auf einmal eine Besserung. In der Bahn fühlte ich mich ganz normal, die Kopfschmerzen waren nicht mehr so schlimm wie vorher. Vielleicht hatte sich die Anspannung gelegt, weil ich von der Arbeit weg war. Nach den Ferien ging mir die Arbeit zwei oder drei Tage gut von der Hand, aber nach einer Woche war wieder alles beim Alten. Kaum stieg ich in die Bahn, gingen die schlimmen Kopfschmerzen los.
Am 28. August brauchte ich drei Stunden bis zu meinem Arbeitsplatz. Unterwegs musste ich aussteigen und mich ausruhen, damit der Schmerz nachließ. Dann stieg ich wieder in die Bahn, die Kopfschmerzen wurden unerträglich, ich musste wieder aussteigen. Das wiederholte sich mehrere Male. Um halb elf kam ich endlich in der Firma an.
Es ist mir etwas peinlich, aber auf eine Empfehlung hin suchte ich einen Psychologen – Herrn Dr. Nakano – im St. Lukas-Krankenhaus auf. Nachdem ich ihm meinen Fall und meine Symptome beschrieben hatte, sagte er: »Das ist Quatsch, was Sie da machen. Sie arbeiten sich ja selbst zu Tode!« Er nahm kein Blatt vor den Mund. »Welche Medikamente nehmen Sie?« fragte er. »Keine«, antwortete ich. »Auch das ist Unsinn«, sagte er. Seither gehe ich jede Woche zur Beratung zu ihm. Ich erzähle ihm, was in der Woche passiert ist, wie ich mich in der Bahn gefühlt habe und so weiter. Je nach Zustand bekomme ich manchmal Medikamente, gegen die Kopfschmerzen und auch Schlafmittel. Wenigstens kann ich jetzt nachts wieder schlafen.
Schließlich ließ ich mich noch drei Monate beurlauben, in denen ich zur Beratung ging und Medikamente nahm. Ich habe nämlich eine
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