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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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auf.

17

Kai Fuselitz, »Unterbewusstes«
    Rainer Ganshagel stapfte die feuchte Almwiese hinunter. Das war ja gerade noch einmal gutgegangen. Zugegeben, sein Jeep war weg, und die nächsten Tage würde er wohl unten im Kurort zubringen müssen, in seinem kleinen Häuschen, denn das massive Polizeiaufgebot würde noch einige Tage brauchen, um alle Spuren rund um den Tatort zu sichern. Der Bürgermeister und sein Sancho, der Kämmerer, hatten die Sache in die Hand genommen. Sie hatten Ganshagel verteidigt und ihn von aller Verantwortung freigesprochen, vor allem hinsichtlich der verdammten Meldezettel, die natürlich niemand so richtig ausgefüllt hatte. Chokri Gammoudi – lachhaft!

    Vorsichtig schritt er ein besonders glitschiges Stück Lehmwiese hinunter. Er kannte natürlich alle Schleichwege, die ins Dorf führten. Damals, als der Knollennasige mit den schlohweißen Haaren auf der Alm ein geheimes Treffen abhielt, hatte irgendein Journalist Wind davon bekommen, und ein paar Reportertrupps der allerweltlichsten Art waren schon auf dem Weg zur Alm gewesen. Da hatte er den Knollennasigen auf einem speziellen Schleichweg nach unten geführt, und er hatte sich gewundert, wie rüstig der Alte durch den Wald geschritten war. Er war gleichsam geschwebt.
    »Jetzt fragen Sie schon, Ganshagel. Ich sehe doch, dass Ihnen etwas auf der Seele liegt.«
    »Ich weiß nicht so recht.«
    »Frisch heraus damit. Mir ist nichts Menschliches fremd.«
    »Sie – Eure Heiligkeit – sind am 19. April 2005 auf den Balkon getreten und haben eine druckreife Rede gehalten. Die Wahl war gerade einmal zwanzig Minuten vorbei. Wann um Gottes willen haben Sie die Rede geschrieben? In den zwanzig Minuten? Und einen Namen für sich mussten Sie auch noch finden!«
    Der Knollennasige schwieg eine angemessene Zeit. Sie schritten jetzt durch den Laubwald.
    »Sie sprechen da ein heikles Thema an, Ganshagel.«
    »Das tut mir leid, Hochwürden.«
    Der Knollennasige lächelte über die Herabsetzung um sieben oder acht Stufen der katholischen Amtshierarchie. Es war schon lange her, dass er Hochwürden genannt worden war.
    »Ist es vielleicht so«, wagte sich Ganshagel vor, »dass sich jeder der Kardinäle während der Wahl schon einen eventuellen Papstnamen überlegt? Und jeder schon eine programmatische Rede vorbereitet hat? Nur sicherheitshalber?«
    »Ich glaube, es gibt keinen noch so kleinen Pfarrer«, sagte der Knollennasige, »in keinem noch so kleinen Kirchensprengel, der nicht schon eine solche Rede in der Schublade hat. Und was es da für Reden gibt. Der Pfarrer von Oberbichl zum Beispiel –«

    Ganshagel stand genau an der Stelle, an der er das Gespräch mit dem Knollennasigen geführt hatte. Der Regen hatte endlich aufgehört, es klarte langsam auf. Sogar ein paar blitzende Sonnenstrahlen fuhren durch die Bäume, und der Hüttenwirt stapfte wohlgemut weiter. Er verließ das Waldstück und überquerte eine steil abfallende Lichtung. Von unten kamen ihm drei Wanderer in erdfarbenen Parkas entgegen. Er winkte kurz, sie winkten nicht zurück, stattdessen drehten sie sich um und verschwanden wieder im Hochwald. Wahrscheinlich Preußen, die mit den Gepflogenheiten am Berg nicht ganz so vertraut waren. Ganshagel ging über die Lichtung. Wo waren die drei Wanderer geblieben? Wieso waren sie wieder umgekehrt? Vielleicht waren es keine Preußen, sondern Spurensicherer von der Polizei, die die verschiedenen Fluchtwege abschnüffelten. Er hoffte, dass die Ermittlungen rasch ein Ende fanden. Er sollte sich bereithalten, hatte es geheißen. Man hätte im Moment keine weiteren Fragen an ihn. Er hatte nur ein Interesse: Er wollte mit seiner Arbeit hier oben so schnell wie möglich weitermachen. Der Bürgermeister würde dafür sorgen. Zumindest hoffte er das. Ganshagel war jetzt am Waldrand angekommen. Da sah er sie wieder, die zwei Figuren in den erdfarbenen Parkas. Zwei? Wo war der Dritte geblieben? Sie warteten offensichtlich auf ihn. Jetzt unterhielten sie sich, sie blickten hinunter auf den Waldboden, so dass er ihre Gesichter nicht ausmachen konnte. Es waren bestimmt Beamte, die hier auf etwas Interessantes gestoßen waren, vielleicht auf verwaschene Abdrücke von Motorradreifen. Ganshagel ging ein paar Schritte auf die zwei Erdfarbenen zu und rief:
    »Hallo! Sind Sie von der Polizei?!«
    Eigentlich rief er: Hoi! Sannasie vonda Bolizei? Er dachte sich nichts dabei, es so urbayrisch zu formulieren. Wer des Deutschen nicht so mächtig ist, filtert das

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