Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
nachträglich aufgesetzt wurde?«
»Da bin ich ganz sicher. Sonst hätte es Verformungs- und Blutspuren am Hutrand gegeben.«
»Spielen wir das bitte mal durch«, sagte Jennerwein. »Ostler, Sie ziehen sich den Hut ins Gesicht. Maria, Sie sind der Täter. Und bitte!«
»Oh, liebste Luisa-Maria«, flötete Maria Schmalfuß und bückte sich zu Ostler hinunter. »Entschuldigung, jetzt habe ich Sie geweckt.«
»Ach, das macht gar nichts«, rief Ostler. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich frage mich schon die ganze Zeit, was Sie da für einen außergewöhnlich schönen Hut tragen. Ich wollte nur die Marke wissen. Meine Frau hat nächste Woche Geburtstag und –«
»Es ist ein Panamahut«, sagte Ostler geziert, ohne die Kopfbedeckung zu verrücken. »Bekommt man nicht gerade bei Aldi, das sage ich Ihnen.«
»Darf ich mal sehen?«
»Na gut, wenn Sie wollen.«
Ostler nahm den Hut ab, Maria setzte ihn auf.
»Um Gottes Willen!«, schrie Ostler und machte übertrieben abwehrende Bewegungen mit den Händen. »Was haben Sie denn da in der Hand! Was wollen Sie mit dem …! Nein … nicht …«
»Hm«, sagte Jennerwein. »Reichlich umständlich. Und Frau Miller soll gar nicht aufgefallen sein, dass der Mörder mit einem Brett oder einer Schaufel auf sie zugeht? Beides sind ja nicht gerade die diskretesten Mordinstrumente. Das Opfer hätte dabei genug Zeit, auszuweichen. Wir haben aber überhaupt keine Abwehrverletzung gefunden. Und dann noch was: Wo bringt der Täter das Riesengerät nach vollbrachter Tat hin? Alles äußerst merkwürdig.«
Maria löste sich aus ihrer Rolle. Auch Ostler stand wieder von den Toten auf. Maria nahm ihre Kaffeetasse und rührte unendlich lange darin herum. Das war ihre Art, sich zu konzentrieren.
»Hubertus, gehen wir nicht von falschen Voraussetzungen aus? Wir nehmen es einfach als gegeben hin, dass Opfer und Täter sich gekannt haben, dass der Täter also aus den Reihen der Seminarteilnehmer stammt. Vielleicht kommt der Schatten aber von außerhalb: Er hat das Ganze mit dem Fernglas beobachtet, sagen wir von einem gegenüberliegenden Berg. Er ist heruntergeschlichen, hat Luisa-Maria den Schlag versetzt und hat sich wieder aus dem Staub gemacht.«
»Und weshalb sollten dann alle Seminarteilnehmer fluchtartig das Gelände verlassen haben?«, knurrte Stengele.
»Eins nach dem anderen«, unterbrach Jennerwein. »Natürlich müssen wir den Mörder finden. Das hat alleroberste Priorität. Aber die Seminarteilnehmer sind nun einmal momentan nicht zu fassen. Nicole Schwattke und Franz Hölleisen arbeiten ohnehin gerade daran, die Adressen der Flüchtigen nachzuprüfen.«
»Ich bin skeptisch, ob da viel dabei rauskommt.«
»Das bin ich auch. Aber bevor wir uns in Spekulationen verlieren, sehen wir lieber zu, was uns die Leiche zu sagen hat.«
»Eine Leiche mit abgeschnittenem Kopf? Was wird uns die wohl zu sagen haben?«, murrte Stengele.
»Ich bleibe dabei: Die Lösung des Falls geht von der Leiche aus. Ein Täter kann verschwinden und sämtliche Spuren verwischen, er kann sich in Luft auflösen – das ist möglich, das hat man alles schon erlebt. Es ist aber völlig unmöglich, einen Toten zurückzulassen, der uns nicht wenigstens einen kleinen Fingerzeig gibt, was kurz vor seinem Tod geschehen ist.«
»Da haben Sie recht, Chef.«
Jennerwein wandte sich an die Frau im Rollstuhl.
»Fangen wir bei den gerichtsmedizinischen Ergebnissen an. – Sie haben den Kopf vollständig untersucht?«
»Ja. Und ich bleibe dabei«, sagte die Pathologin. »Es war ein Schlag mit einem flachen Gegenstand. Ein Brett, eine Schaufel, wie auch immer.«
»Nur ein Schlag?«
»Ein einziger Schlag. Die Silphenmaden haben zwar schon die vorderen Gesichtsknochen angefressen, aber ich konnte auch so noch einiges herauslesen.«
»Großes Lob an Becker«, sagte Jennerwein. »Seine drastische Entscheidung, den Kopf abzutrennen und den Madenfraß durch Kühlung zu stoppen, war richtig.«
Becker bedankte sich mit einem bescheidenen Nicken.
»Und dieser eine Schlag, der war dann wohl auch die Todesursache?«, fragte Stengele.
»Das lässt sich leider nicht hundertprozentig bestimmen«, sagte die Gerichtsmedizinerin. »Ich denke schon, dass der Schlag allein genügt hat. Es gibt jedoch die ungemütliche und unappetitliche Annahme, dass die Silphen die Todesursache waren. Die Viecher haben die Frau auf diese Weise nicht nur getötet, sondern auch gleich versucht, alle Spuren zu beseitigen. Wie gesagt: eine
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