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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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mir tat er ein paar Stiche, geschmeidig glitt ich ins feuchte Erdreich, meine Schnittkante fraß sich durch allerlei Gehölz und – da war die Arbeit auch schon wieder zu Ende. Das hässliche Bäumchen wächst jetzt im Rasen, ich gebe dem mickrigen Stürfel keine zwei Monate.

    Wie war das schön, droben auf der Wolzmüller-Alm! Es ist erst zwei Tage her – trotzdem kommt es mir vor wie eine Ewigkeit. Unter dem T-Shirt schmiege ich mich an die gespannte Bauchdecke meines Schattens. So schleichen wir zusammen an dem bewussten Nachmittag durch den sonnendurchfluteten Wald, zur Alm hinauf. Es riecht nach Jagd, Macht und Tod. Es riecht nach dem Endgültigen. Ich weiß zu dem Zeitpunkt noch nicht, wer es sein sollte – wir Tatwerkzeuge sind offen für alles und jeden. Ist es die Frau mit der Meckifrisur? Der Glatzkopf? Das Mannsbild in Lederhose und kariertem Hemd, das dauernd mit seinen blöden Sauren Knödeln angibt? Wer wird es sein? Der Schatten hatte mit mir schon im Zimmer geübt. Schnelles Montieren, Ausfahren der Teleskopstange – am Ende haben wir für alles nur knappe vier Sekunden gebraucht. Dann wurde der Schlag selbst trainiert. Zuerst das zügige und trotzdem präzise Hochheben des Spatens über die Schulter, fünfzigmal und mehr. Wie bei einem Golfspieler muss das ausgesehen haben, so elegant wie bei Tiger Woods. Mit dem würde ich übrigens gerne einmal zusammenarbeiten. Ob der aber einen Spaten in die Hand nimmt, um zu töten? Würde er nicht eher einen Golfschläger bevorzugen? Nein, Tiger Woods würde niemals mit seinem eigenen Sportgerät töten, das wäre – irgendwie zu naheliegend, finden Sie nicht?

    Soweit ich das verstanden habe, war es sehr wichtig, dass der Schlag schnell und flach geführt wurde, nicht mit der scharfen und extra gehärteten Schnittkante, wie man das erwarten würde, sondern mit dem flachen Blatt ins Gesicht. Auch gut. Ich bestehe aus verzinktem Eisen, ich habe sozusagen nur gute Seiten, ich bin mehrfach einsetzbar. Und so kam es dann auch. Es war eine herrlich idyllische Alm, das muss ich schon sagen. Glockengeläute, Vogelgezwitscher, die Ruhe vor dem Sturm, die Unruhe vor der Windstille. Geruch von wildem Schnittlauch und Bärenklau, da tötet es sich schon anders als hinter einer schmutzigen Mülltonne irgendwo in der Großstadt. Die Frau lag an den Baum gelehnt, völlig entspannt, und ich wusste gleich, das ist ein typisches Opfer, das ist die unsere!

    Sie hat etwas gelesen. Was? Keine Ahnung, irgendein Buch. Ich konnte den Titel nicht erkennen, ich war auch viel zu aufgeregt dazu.
    »Hallo«, flüsterte der Schatten.
    »Hallo«, erwiderte die Frau und lächelte.
    Aha, sie kennen sich also, Täter und Opfer, das ist immer gut, das führt zu keinen Komplikationen. Da geht es schnell, da geht es glatt. Da funkt es auf hoher Ebene.
    »Du hast deinen Hut vergessen«, sagte der Schatten. »Ich habe ihn dir mitgebracht.«
    »Oh, danke, das ist lieb. Schön ist es auf so einer Alm. Wirklich eine gute Idee, ein paar Tage hier zu verbringen.«
    Dann konnte ich die Veränderung im Gesicht der Frau sehen. Eine Sekunde lang Verwunderung, dann das plötzliche Verstehen, das blanke Entsetzen, die weit aufgerissenen Augen, der halbgeöffnete Mund, der zu keinem Schrei mehr fähig war. Darum musste es so schnell gehen. Kein Schrei, keine Abwehrbewegungen, kein Wegdrehen, nichts. Und ich schwöre es: So etwas gelingt im Endeffekt nur mit einem Klappspaten der Marke Gartenfreund.

    Und jetzt hier, im Gegensatz dazu: stumpfsinnige Plackerei, Ausstechen von Rasenstücken. Ich werde als Mistschaufel missbraucht, stellen Sie sich das vor! Der Typ hat noch weitere hässliche Bäume für den Garten gekauft. Das einzig Prickelnde geschah heute Mittag. Die Tür wurde plötzlich aufgerissen, und herein kam nicht etwa der Miesnitzdorfer, der mich aus dem Baumarkt geholt hat, sondern seine Ehefrau. Sie hatte einen anderen Mann dabei, mit dem sie sich erst ein wenig unterhielt. Dann ging das Gespräch plötzlich in den Ehebruch über. Das brachte immerhin ein bisschen Abwechslung in meinen ereignislosen Klappspatenalltag. Aber auch das wurde mit der Zeit langweilig. Da war es noch interessanter, den Mäusen beim Grassamenfressen zuzuschauen. Die Frau starrte während des Ehebruchs die ganze Zeit nach oben auf die Glühbirne. Ich versuchte, auf mich aufmerksam zu machen. Ich glitzerte mit dem blanken Blatt, ich zwinkerte und spiegelte. Die Frau warf einen kurzen Blick nach unten, und

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