Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
würde ich auch zur Polizei gehen.«
»Zur österreichischen?«
»Machst du Witze?«
Swobodas Mobilfunkgerät klingelte. Er nahm ab und sprang auf.
»Was soll ich? Das auch noch!«
»Was ist los?«, fragte Wassili, als Swoboda aufgelegt hatte.
»Sakra, sakra. Dieser Tunesier, der Chokri Gammoudi mit dem Tennisball, der hat es auch nicht geschafft, den Kurort zu verlassen. Er wäre beinahe gefasst worden. So ein Pfuscher, so ein tunesischer.«
»Vielleicht ist er gar kein Pfuscher, sondern ganz im Gegenteil ein besonders raffinierter Hund«, murmelte Wassili.
»Ich soll ihn jedenfalls auch rausholen. Solche Gfraster! Seminare veranstalten, aus der ganzen Welt Referenten einfliegen lassen, und schließlich haut hinten und vorn nix hin.«
»Und was willst du jetzt genau machen?«
Das verriet Swoboda Wassili nicht. Er hatte zum Beispiel vor, die Familie Grasegger einzubeziehen.
39
Bei uns im Ebersberger Forst ist die Dichte der esoterischen Feng-Shui-Spaziergänger oft so groß, dass kein Baum mehr frei ist, den man umarmen könnte. Was soll ich tun?
Umarme die Büsche des Unterholzes. Dein Feng-Shui-Berater.
Im Gegensatz zum milden Klima des Gardasees herrschte im Werdenfelser Tal die gewisse germanische Kühle. Im Polizeirevier wartete das versammelte Team ungeduldig auf die Rückkehr von Kommissar Jennerwein.
»Woher kennen Sie sich so gut mit Shakespeare aus, Stengele?«, fragte Maria.
»Ein reiner Zufallstreffer«, winkte Stengele ab.
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Es gab einen Abschnitt in meinem Leben, da hatte ich genug Zeit zu lesen«, sagte der Allgäuer einsilbig und beugte sich wieder über eine Landkarte.
Alle horchten auf und dachten über diese Bemerkung nach. Das war einmal ganz etwas Neues, dass Stengele von sich selbst erzählte. Doch er führte den Gedanken nicht weiter. Damit ließ er den Spekulationen freien Lauf. Was sollte das nun wieder bedeuten: Knast? Wehrdienst? Priesterseminar? Seefahrt? Apollo-Programm? Doch niemand fragte nach. Stengele hätte ohnehin nicht geantwortet. Er murmelte etwas von Fluchtwegen und Rückzugsräumen und zeichnete Kringel auf die Landkarte.
Jennerwein klingelte an der Haustür von Ganshagels Ausweichquartier im Kurort. Er fühlte sich hochkonzentriert und hellwach, keine Spur von Müdigkeit, auch von seinem gestrigen Akinetopsie-Anfall gab es keine Nachwirkungen mehr. Doch seine Besorgnis wuchs mit jeder Sekunde, die verging. Ganshagel war sich ganz bestimmt nicht bewusst, mit was für Leuten er dort oben zu tun gehabt hatte. Jennerwein klingelte ein zweites Mal, diesmal schon ungeduldiger. Sein Blick fiel auf das kleine, abgegriffene Pappschild im Fenster. Komme gleich wieder. Jennerwein zückte sein Mobiltelefon und wählte Ganshagels Nummer, doch nur die Mailbox sprang an. Jennerwein klingelte ein drittes Mal. Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung. Jennerwein ging langsam und vorsichtig um das Haus herum.
»Ignaz, ich weiß wirklich nicht, was der Gansi diesmal von uns will!«
»Wir sollten uns da raushalten, Ursel. Außerdem können wir ihm so oder so nicht helfen.«
Ein seltenes Bild war das schon: Das Ehepaar Grasegger saß auf der Terrasse vor einem leeren, vollkommen ungedeckten Tisch. Nicht einmal ein klitzekleines Gustoschälchen mit Knabberzeug war da zu finden. Der Appetit war ihnen gründlich vergangen.
»Wenn das so weitergeht, bringt uns der Depp noch in Teufels Küche«, sagte Ursel ärgerlich.
»Ich habe auch kein gutes Gefühl. Wer weiß, in was der alles verwickelt ist. Wir hätten uns schon vorgestern nicht darauf einlassen dürfen, nachts zu ihm auf die Alm zu schleichen.«
»Sapperlot! Wir haben ihn doch ausdrücklich gebeten, keinen Kontakt mehr aufzunehmen. Und jetzt schreibt er uns eine SMS! Warum macht er das? Es muss schon sehr dringend sein. Irgendetwas ist da faul.«
»Aber seinen Hilferuf können wir auch nicht unbeantwortet lassen. Sollen wir den Hölleisen anrufen?«
»So weit kommts noch! Bei der Polizei um Hilfe betteln!«
»Du hast recht. Dann würde ich aber vorschlagen, wir schauen nach, was los ist. Am helllichten Tag werden wir ja wohl nichts zu befürchten haben.«
»Weiß mans. Wir rufen zuerst an.«
Ursel wählte Ganshagels Nummer. Niemand hob ab.
Jennerwein ging vorsichtig um das Gebäude herum, immer dicht an der Hauswand entlang. Er spähte durch ein Fenster, im Inneren konnte er kaum etwas erkennen. Nur ein Telefon klingelte. Erst nach dem zehnten Mal hörte es auf. Jennerwein
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