Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
Vom Netzwerk:
zu tun?«
    »Keine Ahnung, um so etwas kümmere ich mich nicht.«
    Der Russe schlug sich mit der Hand vor die Stirn.
    »Aber klar, das ergibt einen Sinn! Nur das ergibt einen Sinn! Die drei sind nicht zu spät gekommen, weil sie den Flieger versäumt haben. Sie haben unten im Kurort alles vorbereitet, um den Angriff dann am Nachmittag zu starten. Und das Ganze ergibt auch deswegen einen Sinn, weil man gehört hat, dass sich die Inder auch in Europa ausbreiten wollen.«
    »Das tun sie in anderen Branchen genauso.«
    »Das wäre aber ganz schlecht fürs Geschäft, Swoboda. Ganz schlecht. Wir haben ohnehin Probleme mit den Billiglohnländern.«
    Swoboda schwieg dazu. Irgendetwas am Ton des Russen machte ihn nachdenklich. Irgendetwas gefiel ihm nicht daran. Normalerweise hätte er einen harmlosen Schmäh abgeschoben wie Spinnst du, Flassi! Die Inder sollen es gewesen sein? Gibs doch zu, dass du es warst! Aber er behielt den Scherz für sich. Er hatte in dem Geschäft auch deswegen überlebt, weil er vieles für sich behalten hatte. Vor allem Scherze.
    »Was hast du eigentlich in deinem früheren Leben gemacht, Wassili?«, sagte er leichthin. »Russische Literatur?«
    »Biathlon«, sagte der Russe.
    »Wie: Biathlon?«
    »Ich war Biathlonsportler, du kennst mich vielleicht sogar unter meinem bürgerlichen Namen. Ich war nämlich ein sehr guter Biathlet. Habe immer vorne mitgemischt. Weltmeisterschaften, Olympiamedaillen, das ganze Programm eben. Wenn man dann aber mal dreißig und fünfunddreißig wird, dann häufen sich auf einmal die vierten Plätze, und die siebten, und die siebenundzwanzigsten – und irgendwann steht ein Mann im Maßanzug und mit Lederköfferchen vor der Tür.«
    »Ein Mann vom IOC?«
    »Noch schlimmer.«
    »Gibts was Schlimmeres?«
    »Die Bruderschaft.«
    »Du hättest aber doch Biathlon-Experte bei uns im ORF werden können.«
    »Entschuldige mal: Mit Doping habe ich nichts zu tun!«

    Im Hintergrund tauchten die Gebirge auf, die den Gardasee umgaben. Der Monte Baldo ragte in den Sommerhimmel, die Atmosphäre wandelte sich langsam vom würzigen Südtirolerischen ins mediterran Weiche.
    »Und so ist aus dir ein Knipser geworden, Flassi!«, sagte Karl Swoboda, als sich Malcesine vor ihnen ausbreitete. Die Luft strich warm und weich durchs offene Fenster, wolkenlos spiegelte sich die blaue Glocke im See. Oh Himmel, strahlender Azur! Enormer Wind die Segel bläh!
    »Ja, so ist es«, sagte Wassili. »Ich bin ein Knipser geworden. Es gibt viele Leistungssportler, die diese Laufbahn eingeschlagen haben. Fußballer haben gute Chancen, genommen zu werden. Aus naheliegenden Gründen auch Biathleten.«
    »Das glaube ich gerne: Hinlaufen, Schießen, Weglaufen. Aber sag einmal: Wie haben sie dich eigentlich von der bürgerlichen Bildfläche verschwinden lassen?«
    »In meinem Fall musste ich offiziell sterben. Das ist für einen Leistungssportler gar kein Problem. Die Sportverbände geben diese Nachrichten heraus, und die Sportverbände sind –«
    »Ich weiß schon«, sagte Swoboda. »Ich habe mich oft gewundert, wie früh manche aufhören. Da ist jemand erfolgreicher Biathlet, schießt und rödelt in der Weltspitze herum – und dann geht er mit fünfundzwanzig in Rente.«
    »Oder sie.«
    »Oder so.«
    »Rate mal, wie viele von den Seminarteilnehmern ehemalige Sportler gewesen sind?«
    »Zwei, drei?«
    »Mehr als die Hälfte.«

    Sie fuhren natürlich nicht an der Uferstraße des Gardasees entlang, auf der Gardesana gab es viel zu wenig Ausweich- und Fluchtmöglichkeiten – für den Fall eines Falles. Ihre Art der Fortbewegung ging deshalb sehr langsam voran. Für eine Strecke, die der gemeine Münchner in dreieinhalb Stunden hinter sich lässt, hatten sie mehr als das Doppelte gebraucht. Dafür waren sie auf der ganz sicheren Seite. Sie fuhren oben herum, zum Teil auf verwilderten Forststraßen – belohnt wurden sie dafür mit verboten schönen Perspektiven auf den Gardasee.
    »Irgendwann gebe ich einen Reiseführer heraus«, sagte Swoboda. »Die schönsten abgesperrten Forststraßen in Europa.«

    Sie hielten an und machten Pause.
    »Bist du ganz sicher, dass wir keine Spuren auf der Alm hinterlassen haben?« fragte der Russe.
    »Habt ihr nicht«, sagte Swoboda. »Ich habe alles vollständig gecheckt. Ich weiß ganz genau, wonach die Kieberer suchen. Blöd sind sie nicht, aber sie haben nun einmal ziemlich eingeschränkte Möglichkeiten. Sie haben das Polizeiaufgabengesetz. Wenns das nicht gäbe,

Weitere Kostenlose Bücher