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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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mir egal!«, herrschte Mem uns an. »Das hätte sie sich vorher überlegen müssen!«
    »Dann gehe ich eben auf die Küchenbank«, sagte Ooti tapfer.
    »Wenn die anderen dich lassen«, entgegnete Mem hart und Ooti musste an jede Tür klopfen, erklären, dass sie sich unvorsichtigerweise in einer Nissenhütte aufgehalten hatte, in der einige Bewohner an Scharlach litten, und darum bitten, in der Küche schlafen zu dürfen.
    Bolles waren sofort einverstanden, die Wranitzky fragte entgeistert: »Sie wollen Ihre eigene Familie schonen und uns in Gefahr bringen?«
    Ooti war so erschrocken, dass ihr Unterkiefer unkontrolliert zu wackeln begann. »Aber ich wollte doch niemande n …«, stammelte sie.
    »Ausgerechnet in der Küche!«, rief die Wranitzky. »Nein, Frau Sievers, bei aller Güt e …«
    Die Tür am Ende des Flurs ging auf und Frau Kindler kommandierte: »Was ist los, Winnie?«
    Ich brach in Tränen aus. »Ooti soll nicht mehr bei uns schlafen!«
    »Sie war in einem Scharlachhaus!«, rief die Wranitzky. »Und jetzt will sie ausgerechnet auf die Küchenbank!«
    »Küchenbank? Unfug, du kommst natürlich zu mir!«, erwiderte Frau Kindler energisch. »Ich hatte schon Scharlach und der Leo auch.«
    »Was ist mit der Küche?« Die Wranitzky verschränkte die Arme. »Unser Gemeinschaftsraum muss sauber bleiben! Wenn wir erst einmal Krankheiten im Haus habe n …«
    Frau Bolle brach zuverlässig in Schweiß aus, wagte aber zu widersprechen: »Frau Sievers ist doch noch gar nicht krank.«
    »Na, Sie stört das nicht, das ist mir klar«, schnappte die Wranitzky. »Wer weiß, was Ihre Mädel schon alles haben, da kommt’s auf Scharlach wohl gar nicht mehr an.«
    Frau Bolle drehte sich auf dem Absatz um, verschwand in ihrem Zimmer und knallte die Tür. Sofort kam der arme Leo in den Flur geschossen. »Meine Damen, meine Damen! Behalten wir doch bitte die Nerven!«
    Da war ich schon wieder auf dem Weg nach unten. Ich brauchte lange, meine Knie waren butterweich, auf dem Schulweg musste ich inzwischen zwei Pausen einlegen. Das war nicht weiter überraschend, denn der Hunger schafft es sehr schnell, dass man an Tempo verliert. Wirklich besorgniserregend war, dass unser Haus offenbar schon im nächsten Stadium ankam: Wir wurden nervös und streitlustig.
    »Ich wollte euch nicht erschrecken«, empfing mich Mem im Zimmer. »Ooti bekommt ganz bestimmt keinen Scharlach.«
    »Wie konntest du sie bloß so ekelhaft behandeln?«, schrie ich.
    »Ooti war leichtsinnig«, verteidigte sich Mem. »Und ich bin für euch verantwortlich.«
    »Ja, noch!«, schleuderte ich ihr entgegen und erwartete, hoffte beinahe, dass sie mich dafür schlug, aber Mem tat mir den Gefallen nicht, sie zog den Gürtel um ihren Mantel fester, griff nach dem Hausschlüssel und ging.
    Hilflos ließ ich mich auf meine Matratze fallen. Mem im Begriff zu verschwinden, Ooti vielleicht bald todkran k … die Welt zerriss an ihren Rändern.
    »Wo will sie denn hin?«, fragte Henry und blickte endlich von seinem Buch auf.
    »Allein ins Kino, was weiß ich. Gewöhn dich schon mal dran.«
    Henry machte ein verständnisloses Gesicht. Gewöhn dich dran, dass sie weg ist!, ergänzte ich in Gedanken.
    Nach einer Weile kam Ooti zu uns hinunter, um ihr Bettzeug zu holen.
    »Eure Mutter hat vollkommen Recht«, sagte sie beherrscht. »Es tut mir leid, dass ich so unverantwortlich war.«
    »Du wirst bestimmt nicht krank, Ooti«, flehte ich.
    »Bestimmt nicht«, wiederholte sie mit Nachdruck, bevor sie uns eine gute Nacht wünschte. Wir hörten den Fußboden über uns knacken, als sie sich oben einrichtete, und Frau Kindlers prustendes Lachen.
    »Hör mal«, sagte Henry, »wollen wir nicht tauschen, während Ooti oben schläft? Du gehst mit Mem auf die Matratze und ich schlafe allein.«
    »Aha, und wieso?«
    »Weil ihr Mädel seid«, erwiderte mein Bruder mit hochgezogenen Brauen.
    »Redest du dann wieder mit mir?«, fragte ich nach kurzer Bedenkzeit.
    »Wenn’s was zu sagen gibt.«
    Nachdem wir unseren Umzug erledigt hatten, schwiegen wir uns eine Weile an, bis Henry endlich etwas zu sagen hatte.
    »Die armen Broders«, meinte er versöhnlich. »Noch ein Winter in dieser Hütte.«
    Oben wird ein Zimmer frei, dachte ich und focht einen kurzen inneren Kampf, weil ich Wim versprochen hatte, nichts zu verraten. Aber ich war einfach zu froh, dass Henry wieder mit mir redete.
    »Oben wird ein Zimmer frei«, sagte ich. »Wollanks gehen in den Süden, aber sag’s noch nicht

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