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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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weiter!«
    »Warum denn nicht?«, fragte Henry verblüfft und ich wurde wieder vorsichtig.
    »Weil sie es selbst erzählen wollen. Ich hab’s nur zufällig schon erfahren.«
    »Tut mir leid für dich«, sagte Henry nach kurzem Zögern.
    »Ach. Seit Herr Helmand da ist, ist es sowieso nicht mehr wie früher.«
    »Ja, komisch. Und sie mag ihn nicht einmal!«
    Ich richtete mich verblüfft auf. »Das ist dir auch aufgefallen?«
    »Nicht sofort. Anfangs schien sie ihn ganz nett zu finden, aber dann fing er an, ihr auf die Nerven zu gehen. Als er einzog, war es eigentlich schon wieder vorbei mit ihne n … Tja, und jetzt heiratet sie ihn doch, jetzt geht sie sogar mit ihm weg. Und das alles, weil er ein Freund von Wims Vater war? Kommt mir sehr seltsam vor. Was ist mit dem eigentlich passiert, weißt du etwas?«
    »Nein«, sagte ich schwach.
    Da verbringt man Monate mit anderen Leuten, nimmt an ihrem Leben teil, freut sich, hofft, bangt und fühlt mit ihne n – und einer, der gar nichts tut, der nur guckt und denkt und kein Wort redet, sieht mehr als man selbst!
    »Ich glaube, Herr Helmand schlägt Nora«, brach es aus mir heraus, und auf Henrys erschrockene Nachfrage erklärte ich: »Nein, sicher weiß ich es nicht, aber er ist gestern fast auf sie losgegangen. Wenn ich nicht im Zimmer gewesen wär e …«
    »Das lässt sie sich gefallen?«, rief Henry. »Das lässt Wim zu?«
    Ich sagte nichts, ich war zu entsetzt. Es ist ein Unterschied, ob diese Frage sich im eigenen Kopf beweg t – wirre Fetzen von Worten, die sich kaum zusammenfügen möge n – oder ein anderer sie laut ausspricht.
    »Dann muss sie ihn heiraten«, stellte mein Bruder fest. »Dann kann sie nicht anders. Dann hat er sie mit irgendetwas in der Hand. Kann es sein, das s …« Er stockte, überlegte, dann sagte er langsam: »Vielleicht ist nicht er derjenige, der sich versteckt.«
    Mem schien es für eine Art Versöhnungsangebot zu halten, mich an Henrys Stelle auf ihrer Matratze wiederzufinden, als sie zwei Stunden später zurückkehrte, denn sie umschlang mich von hinten, kaum dass sie unter die Decke gekrochen war, und flüsterte: »Ich werde immer für euch da sein, Alice.«
    Ich antwortete nicht.
    »Ooti hat es warm und gemütlich«, behauptete Mem. »Sie schläft in der freien Hälfte von Frau Kindlers Ehebett. So komfortabel hatte sie es lange nicht mehr.«
    Das mochte gut sein, denn als Frau Kindler Ooti am nächsten Tag anbot, doch einfach bei ihr zu bleiben, stimmte diese zu. »So haben wir alle mehr Platz«, meinte sie, aber ich wurde den Verdacht nicht los, dass sie in Wahrheit bereits ahnte, was mit Mem los war.
    Wie um meine Vermutung zu bestätigen, fügte sie hinzu: »Ich bleibe eure Ooti, egal was passiert!«
    Trotz dieser für meine Mutter zweifellos angenehmen Lösung, schien es Mem in unserem Zimmer zu eng zu werden, denn in der folgenden Nacht stand sie, kurz nachdem wir uns zu Bett gelegt hatten, unvermittelt noch einmal auf, warf sich den Mantel über und ging in die Küche. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sie zurückkehrte, und obwohl ich das Gefühl hatte, als hätte ich das alles schon einmal erlebt, war ich nicht darauf gefasst, sie morgens zu mir sagen zu hören: »Ich dachte gestern Abend, wir zwei könnten uns noch einmal unterhalten.«
    Was glaubte si e – dass wir von nun an im Dunkeln verabredet waren? Dass ich auf ihrer Seite stand, nur weil ich sie nicht verriet?
    Zwei Schritte rechts, ein Schritt link s … wenn ich, wie zu befürchten war, eine Abneigung gegen alles entwickeln würde, was mit Tanzen zu tun hatte, dann lag es möglicherweise doch nicht an meinem linken Bein. Beim zweiten Versuch hatte Wim deutlich weniger Probleme, wohl weil er in der Zwischenzeit ohne mich Trippeln geübt hatte; dafür war ich es, die sich vorkam, als stolperte sie zwischen Bodenminen.
    »Mir scheint, unsere Alice ist heute nicht bei der Sache«, meinte Nora und ich versuchte mit aller Macht, mich zusammenzureißen, aber vergebens: Je länger ich in diesem Zimmer war, desto nervöser wurde ich und desto mehr Dinge erhielten mit einem Mal eine gänzlich neue Bedeutung.
    Wie mutig Nora den Polizisten geohrfeigt hatte, um Wim zu verteidige n – aber kein Wort hatte sie gesagt, als Herr Helmand ihrem Sohn fast das Ohr abgerissen hatte! Wie der sie angefahren hatte wegen Herrn Goldsteins Papieren, und wie sie sich hinterher kaum getraut hatte, zu ihm zurück ins Zimmer zu gehen.
    »Willst du es lieber ohne Musik probieren,

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