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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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ich die Herren mit meinem Onkel und großen Gönner bekannt machen: Siegfried Schulz. Alle werden seine Firma kennen …« Wiederschein machte das formvollendet. »Und hier haben wir der Reihe nach: Konrad Eckel, unseren Pfarrer, Werner Woytasch, unseren ehemaligen Stadtrat, Professor Arne Quaas, Hochschullehrer für Steuerrecht an der FHW , und Thomas Mietzel, unseren Rechtsanwalt. Ich wünsche den Herren gute Unterhaltung und bitte, mich zu entschuldigen: Die Küche ruft.«
    Schulz ließ sich von Matti ein frisch gezapftes Bier bringen, dann lauschte er den Worten der anderen. Es ging um die Kriminalstatistik des Jahres 1997, die das Bundeskriminalamt in Wiesbaden gerade veröffentlicht hatte. Darin lag Berlin bei Schlägereien bundesweit an der Spitze und in der Verbrechenshäufigkeit an vierter Stelle.
    Pfarrer Eckel fiel dazu einer der Sprüche Salomos ein: »Torheit steckt dem Knaben im Herzen; aber die Rute der Zucht wird sie fern von ihm treiben.« Damit wolle er, weiß Gott, nicht der Prügelstrafe das Wort reden, aber darauf hinweisen, dass eine Erziehung allein im Sinne des alles Verstehens und alles Verzeihens auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein könne. »Bei mir im Konfirmandenunterricht jedenfalls versuche ich, der overpermissive education einen Riegel vorzuschieben.«
    Hier mischte sich Schulz zum ersten Mal ein. »Aber wer kommt denn zu Ihnen noch, Ihre Kirche ist doch nur eine Rentnersekte.« Damit hatte er seinen ersten Pfeil erfolgreich abgeschossen.
    Woytasch verwies auf die gewaltigen Anstrengungen des Bezirks, die Aggressionen Jugendlicher zu minimieren beziehungsweise zu kanalisieren. »Wir gehen mit Programmen in die Schulen, in denen die Jugendlichen lernen, Konflikte gewaltfrei zu lösen, und wir versuchen, sie zum Eintritt in einen unserer vielen Sportvereine zu bewegen.«
    Schulz winkte ab. »Politiker …! Die denken doch bloß an ihre eigene Karriere, denen ist das Volk völlig egal.«
    Woytasch war es gewohnt, angepinkelt zu werden, und lachte nur. »Das haben wir mit den Unternehmern gemeinsam.«
    Rechtsanwalt Mietzel vertrat gern neoliberale Positionen. »Das Eigeninteresse ist es doch, was der Motor allen Handelns ist. Was passiert, wenn es unterdrückt wird, haben wir ja am Beispiel der DDR gesehen: Ein ganzer Staat geht in Konkurs. Wichtig ist nur, dass die Eigeninteressen durch ein hochkomplexes Rechtssystem gesteuert werden.«
    »Ach!«, rief Schulz. »Das macht doch die Menschen nur zu Prozesshanseln, und Rechtsverdreher wie Sie können sich damit eine goldene Nase verdienen.«
    Woytasch tat so, als ob er Parlamentspräsident wäre, und schwang eine imaginäre Glocke. »Ich bitte um Mäßigung, Herr Abgeordneter Schulzky.«
    »Nur Schulz bitte, ohne ky.«
    Professor Quaas nutzte die Chance, auch einmal zu Wort zu kommen, und fragte Pastor Eckel, ob dessen Irish Terrier endlich zur Zucht zugelassen worden sei.
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Na, über ky und Schulzky auf die Kynologie, das ist die Wissenschaft vom Hunde. Ich habe da gerade einen Klienten, der sich einen Kampfhund hält, weil er als Discobesitzer von einer libanesischen Großfamilie bedroht wird, und diesen Kampfhund gern von der Steuer absetzen möchte.«
    »Das ist ein Bekannter von mir!«, rief Schulz. »Der hat sich fürchterlich über seinen Steuerberater aufgeregt, weil der sich so dumm angestellt hat, dass eine Nachzahlung von 30.000 D-Mark fällig war.«
    Jetzt kam das Essen, und Schulz zog sich an seinen Tisch zurück, nicht ohne den Herren zu verraten, dass er die Nummer der entsprechenden Notfallzentrale in seinem Handy eingespeichert habe. »Falls sich bei Ihnen Vergiftungserscheinungen zeigen sollten.«
    Bharati brachte ihm wenig später eine wunderbar gegrillte Dorade und den passenden Wein dazu, doch Schulz schob den Teller nach dem ersten Bissen weit von sich und stürzte zur Garderobe, um sich mit großer Geste seinen Mantel anzuziehen und seinen Borsalino aufzusetzen.
    »Danke, ich fahre jetzt zum Ludolfinger Platz. Da soll es zwei wunderbare Italiener geben. Bis nachher!«
    In Wahrheit hatte er gar keinen Hunger und ging nur anderthalb Stunden spazieren. Als er im ›à la world-carte‹ zurück war, hatten sich Eckel, Woytasch, Quaas und Mietzel schon auf den Heimweg gemacht. Er sah Freddie und Gudrun hinter dem Haus stehen, wo sie in Ruhe ihre Zigarette rauchen wollten, und herrschte sie an.
    »Könnte mir mal freundlicherweise einer mein Zimmer zeigen?«
    »Und wer sind Sie?«,

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