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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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bereits gegangen.
    Sie war enttäuscht und wollte sich gerade abwenden, da sah sie Wiederschein aus der Tür kommen. Eine Taschenlampe flammte auf. In deren Schein sah sie, dass etwas Dunkles, das er schon vorher herbeigeschafft haben musste, neben ihm lag. Sie konnte nicht erkennen, was es war, dazu waren ihre Augen zu schwach. Außerdem war es nicht hell genug. Auf alle Fälle spähte Wiederschein in ihre Richtung. Sie fuhr in ihr Zimmer zurück und zog den Vorhang zu. So verharrte sie einige Minuten. Als sie sich wieder ans Fenster wagte, sah sie Wiederschein unter seinem Kirschbaum graben. Der Mond war durch die jagenden Wolken gebrochen und tat ihr für einen Augenblick den Gefallen, die Szene auszuleuchten. Wiederschein grub eifrig und mit sichtlicher Hast und hatte bereits eine Menge Erde neben sich aufgeworfen, als er mit einem Male das Graben aufgab und sich auf’s Neue nach allen Seiten hin umsah. Aber auch jetzt wieder, so wenigstens schien es ihr, mehr in Spannung als in Angst und Sorge.
    »Was hat er nur?«, fragte sie sich.

     
    *

     
    Wiederschein musste sich vor seinem Gewissen rechtfertigen, und das war das Wichtigste, wollte er die Tat wirklich begehen. Zum einen war es reine Notwehr, Schulz zu ermorden, er oder wir, sagte er sich, und zum anderen konnte man allen Menschen, die er jahrelang gequält und gedemütigt hatte, keinen größeren Gefallen tun, als ihn aus der Welt zu schaffen. Ein Tyrannenmord war immer legitim.
    Gegen Mitternacht kam Angela von ihrer Theatergruppe nach Hause, und sie verloren kein Wort mehr über das, was sie sorgsam geplant und einstudiert hatten. Nur in einem hatte Wiederschein umdisponieren müssen.
    »Ich kann die Leiche nachher nicht bei uns im Weinkeller vergraben.«
    Angela sah ihn ungläubig an. »Und warum nicht? Der Boden besteht doch nur aus Sand …«
    »Ja, aber unter dem Sand liegt eine Eisenplatte, und da komme ich nicht durch. Wahrscheinlich ist es eine Art Wanne, damit das Grundwasser nicht eindringen kann. Oder vielleicht haben sie darunter auch ihre Goldbarren versteckt, was weiß ich. Jedenfalls kommt man da ohne Trennschleifer nicht weiter, und hätte ich den angeworfen, wären sofort Freddie, Gudrun und Matti zur Stelle gewesen.«
    »Und nun?«
    »Ich schleife Schulz aufs Nachbargrundstück und vergrabe ihn schräg unter der Hausplatte, dort wo die Garage hinkommt. Da gießen sie in den nächsten Tagen den Beton … Aber das alles spielt gar keine Rolle, alle haben Schulz höchst lebendig wegfahren sehen.«
    »Gut, dann mach mal.« Sie küsste ihn und eilte dann ins Schlafzimmer hinauf, um mit bangem Herzen zu warten.
    Wiederschein fühlte nichts mehr, er handelte nur noch wie ein lange vorher programmierter Roboter. Natürlich hatte Schulz sein Zimmer von innen zugesperrt, doch Wiederschein hatte das Schloss so präpariert, dass man die Tür trotz des drinnen steckenden Schlüssels mühelos und leise von außen öffnen konnte.
    Schulz lag auf dem Rücken und schnarchte laut und ausdauernd, als Wiederschein eintrat, und so musste er gar nicht besonders vorsichtig zu Werke gehen. Das Display des Radioweckers leuchtete so hell, dass Wiederschein keine Mühe hatte, sich zu orientieren. Das Sofakissen lag genau an der Stelle, wo er es am Nachmittag platziert hatte. Wiederschein nahm es hoch, huschte zum Bett hinüber und presste es Schulz mit aller Kraft auf Mund und Nase. Dabei sprang er hoch, so als wolle er auf dem Kopf des Opfers einen Handstand machen, und vervielfachte damit den Druck.
    Ehe Schulz auch nur ansatzweise realisiert hatte, was mit ihm geschah, war er schon erstickt.
    Wiederschein beobachtete den Todeskampf seines Peinigers mit wissenschaftlicher Kühle und legte, als alles vorüber war, das Sofakissen an seinen alten Platz zurück. Dann verließ er mit dem Staubmantel, dem Borsalino und dem Autoschlüssel des Toten das Gästehaus, um alles zu seiner Frau nach oben zu bringen. Niemand hatte ihn gesehen, da war er sich hundertprozentig sicher. Die Laubach hatte nur den Eingang zum Restaurant im Auge, konnte ihn aber nicht beobachten, wenn er vom Gästehaus zur Villa lief und die Tür zum Souterrain benutzte. Und Freddie und Gudrun schliefen tief und fest, die hätte nicht einmal der Knall eines Düsenjägers aufwecken können.
    Mit dem Vergraben der Leiche musste er sich sputen, denn im Osten begann es zu dämmern. Er schleifte Schulz aus dem Gästehaus. Das musste Spuren hinterlassen, aber da konnte er auf den nächsten Wolkenbruch

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