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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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wir sollten einen Orden dafür bekommen, dass wir ihn eliminiert haben. Hunderte werden aufatmen und anfangen, wieder Freude am Leben zu haben.«
    Mit matter Stimme wandte sie ein, dass man so nicht denken dürfe. »Richte nicht, auf dass du nicht gerichtet wirst. Es ist nicht unsere Aufgabe, Unmenschen aus dem Verkehr zu ziehen.«
    »Doch!«, beharrte Wiederschein. »Schulz zu töten war soziale Notwehr!«
    »Wenn alle das tun würden!«, hielt sie ihm vor.
    »Es tun ja nicht alle. Leider.« Er legte seinen Arm um ihre Schultern. »Was kann ich denn tun, um dich ein wenig aufzuheitern?«
    »Schulz wieder lebendig werden lassen …«
    Sie schloss die Augen und sah ihn vor sich, wie er mit Borsalino und wehendem Staubmantel ins Restaurant gestürmt kam, ein skrupelloser Machtmensch, ein Sadist, ein Ekel – doch wenigstens ein Mann mit einem unverwechselbaren Profil und keiner dieser unscheinbaren und jederzeit austauschbaren Mitläufer.
    Wiederschein lächelte. »Drüben auf dem Grundstück haben sie gerade den Beton für die Garage gegossen. Schulz ruht dort drunten so sicher wie ein Pharao in seiner Pyramide.«
    Angela Wiederschein schüttelte sich. »Immer wenn ich die Garage sehe, werde ich an ihn denken müssen und …«
    Wiederschein hatte eine Idee. »Pass mal auf: Ich nehme einen Kredit auf, den bekommen wir ja jetzt, und lasse dir eine kleine Studiobühne in den Garten setzen, das versperrt dir 1) den Blick auf die Garage und du kannst 2) dein eigenes Off-Theater aufmachen. Vom Centre Bagatelle mal abgesehen, ist ja Frohnau eine Kulturwüste – und die Leute werden sich freuen, ein Theater direkt vor der Gartentür zu haben. Erst gut essen, dann – ohne sich die Füße schmutzig zu machen oder nass zu werden – dem Kunstgenuss im TAW , im Theater Angela Wiederschein, frönen. Oder umgekehrt: erst das Theater, dann das Restaurant. Na, ist das nichts, das berühmte Licht am Ende des Tunnels?«
    »Ja, kann ich mir schon vorstellen.«
    »Gut, du!« Wiederschein war Feuer und Flamme. »Ich rufe gleich ein paar Architekten an, sie sollen sich sofort Gedanken machen.«
    Angela Wiederschein hoffte, dass es bald konkret etwas zu planen gab, denn Arbeit war wohl immer noch die beste Therapie gegen ihre Depressionen und ihre anderen Krankheiten.

     
    *

     
    Sandra Schulz saß mit ihrem Anwalt zusammen, um sich sagen zu lassen, wie sie am besten mit einer Situation umgehen konnte, in der alles in der Schwebe war.
    »Ja, Frau Schulz … Bis zu einer Todeserklärung kann Ihre Erbschaft nicht abgewickelt werden. Das wird alles durch das Verschollenheitsgesetz geregelt. Noch können wir gar nichts unternehmen. Ihr Mann gilt als vermisst, im In- und Ausland wird nach ihm gefahndet, und man rückt, nachdem man in Wiederscheins Garten die falsche Leiche gefunden hat, immer mehr von der Arbeitshypothese ab, dass er einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Eher wird angenommen, dass er, warum auch immer, im wahrsten Sinne des Wortes abgetaucht ist. Da werden wir so schnell keinen Richter finden, der uns eine Todeserklärung ausstellt.«
    Sie sprachen noch eine Weile darüber, wie sie es am besten anstellte, die Firma zu leiten, dann verließ sie die Kanzlei und machte sich auf den Weg zu Klütz. Sie wollte ihn zu Hause abholen, um mit ihm nach Frohnau auf sein Baugrundstück zu fahren.
    Ihre Gefühle konnte sie noch immer nicht richtig einordnen. In der einen Sekunde war sie froh, von ihrem Mann befreit zu sein, dann aber tat er ihr leid. Er war ein Tyrann und ein Schurke, sicher, aber er konnte auch charmant und leidenschaftlich sein, und sie hatte ihm eine Menge zu verdanken.
    In der Stubenrauchstraße war schwer ein Parkplatz zu bekommen. Weitab von Klütz’ Mietshaus fand sie endlich einen in der Kreisauer Straße. Um pünktlich bei ihm zu sein, nahm sie die Abkürzung über den Friedhof. Dort war einiges los. Eine Gruppe von gut und gerne 100 Trauergästen stand um ein offenes Grab herum und lauschte den Worten einer Pfarrerin, und eine wesentlich kleinere Schar ließ sich von einem professionellen Cicerone zu den Gräbern von Marlene Dietrich und Helmut Newton führen.
    Sie fragte sich, ob und wann sie ihren Mann zu Grabe tragen würden. Vielleicht nie … Sie merkte, dass sie von ihm so schnell nicht loskam. Um diesen Ablösungsprozess zu beschleunigen, ließ sie sich, kaum war sie eingetreten, von Klütz ins Schlafzimmer ziehen und kräftig vögeln. Dabei schrie sie mehr, als es der Orgasmus eigentlich erforderte,

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