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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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denn etwas Besseres gab es nicht, von all den belastenden Gedanken loszukommen.
    Als sie wieder bei Sinnen war, sah sie, dass Klütz humpelte.
    »Gott, bist du von dem einen Mal so erschöpft, dass du am Stock gehen musst?«
    »Hör auf, das sind doch meine Verletzungen vom Fußball!«
    Sie kuschelten noch eine Weile, bevor sie sich auf den Weg nach Frohnau machten. An der Detmolder Straße kamen sie auf die Stadtautobahn, die an diesem Sonnabend nicht ganz so voll war wie sonst. Sandra Schulz konzentrierte sich auf den Verkehr, Klütz war müde. Sie schwiegen und ließen die vorbeihuschenden Bilder auf sich wirken. Das Kraftwerk Wilmersdorf, dessen drei Schornsteine wie vergessene NATO -Raketen in den Himmel ragten, das silberne Raumschiff des ICC , der Funkturm, einst ein Riese, aber angesichts der Fernsehtürme in aller Welt zum Zwerg geschrumpft, das Siemens-Imperium im Spreetal unten, der Flughafen Tegel.
    Sandra Schulz kam es vor, als sähe sie das alles zum ersten Mal. Sie befand sich im Ausnahmezustand, seit ihr Mann verschwunden war. Alle Kontraste waren schärfer, alles war irgendwie unwirklich.
    »Wenn er nun doch ermordet worden ist?«, fragte sie plötzlich.
    »Wer?«
    »Na, mein Mann!«
    »Das höre ich nicht so gerne«, sagte Klütz.
    »Was hörst du nicht so gerne?«
    »Dass du ›mein Mann‹ sagst.«
    »Was soll ich denn sonst sagen?«, fragte sie.
    »Na: mein Ex.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das finde ich albern.«
    »Dann meinetwegen: Schulz.«
    Sie wollte sich nicht streiten. »Gut, wenn nun Schulz doch ermordet worden ist, obwohl sie bei Wiederschein auf dem Grundstück einen ganz anderen gefunden haben …?«
    Klütz sah sie von der Seite an. »Traust du das seinem Neffen denn zu?«
    Sandra Schulz überlegte. »Dazu kenne ich ihn zu wenig, aber er und mein … er und Schulz haben sich nicht gerade prächtig verstanden.«
    »Mit wem hat sich Schulz schon prächtig verstanden?«, erwiderte Klütz.
    »Eben. Darum kommen ja auch mindestens zwei Dutzend Leute als Mörder infrage, und ich kann einfach nicht verstehen, warum dieser Schneeganß die nicht alle unter die Lupe nimmt, alle, die auf Rache aus sein könnten.«
    Sandra Schulz gab nicht viel auf Gefühle, Vorahnungen und den ganzen kabbalistischen Hokuspokus, aber sie wusste ganz einfach, dass ihr Mann nicht mehr lebte. Ein Lebender hätte irgendwelche geheimnisvollen Wellen ausgesendet, die sie erreicht haben würden. Aber da kam nichts. Schulz war vor dem ›à la world-carte‹ in seinen Porsche gestiegen, das war Fakt, und man hatte wenig später seinen Wagen im Oder-Havel-Kanal gefunden, ohne ihn. Also musste auf dem Weg von Frohnau nach Oranienburg jemand in seinen Wagen gestiegen sein. Wahrscheinlich ein Mann, vielleicht auch eine Frau. Der oder die musste ihn ermordet, irgendwo in Straßennähe versteckt und dann den Wagen im Kanal versenkt haben. Schneeganß hatte ihr zwar versichert, die Brandenburger hätten die Gegend, durch die Schulz gefahren sein musste, sorgfältig abgesucht, aber nichts gefunden, doch das glaubte sie nicht, denn überall hatten sie zu wenig Personal. Sie war furchtbar zornig auf die Berliner Kripo, und als sie vor Klütz’ Baugrundstück angekommen waren, griff sie erst einmal zum Handy, um einen befreundeten Journalisten anzurufen.
    »Du, Peter, bitte mach mal was! Entweder sind die bei der Kripo unfähig oder sie wollen nicht, aber für mich steht fest, dass Siegfried zwischen Frohnau und Oranienburg ermordet worden ist und seine Leiche da irgendwo verbuddelt ist, wahrscheinlich im Wald zwischen Borgsdorf und Lehnitz. Dieser Schneeganß soll endlich mal in die Gänge kommen, seine These, dass Siegfried entführt worden ist, die ist doch Quatsch! Da hätte sich längst schon einer bei mir gemeldet.«
    Nach diesem Gespräch ging es ihr besser, und sie folgte Klütz in wesentlich besserer Stimmung. Action is satisfaction.
    Zwei Minuten später stand sie auf dem inzwischen hart gewordenen Boden der späteren Garage. Keinen Meter unter ihr lag ihr Mann im märkischen Sand, ohne dass sie es ahnte.
    »Das ist ja alles wunderbar«, sagte Klütz.
    »Was ist wunderbar?«
    »Na, der Baufortschritt hier. Wenn das so weitergeht, können wir hier im neuen Heim Weihnachten feiern.« Klütz strahlte.
    Sie lachte. »Na, so schnell möchte ich nun doch nicht in’s Heim.«
    Klütz merkte nicht, dass sie das Altenheim gemeint hatte. »Du kannst doch nicht ewig allein bei dir in Wannsee in der Riesenvilla hocken.«
    »Ich

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