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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Wiederschein betrete ich nicht, das habe ich mir geschworen.«
    »Gott, können Leute albern sein«, murmelte Schneeganß. »Dann gehe ich hier mal auf und ab, und Sie rufen ›Halt!‹, wenn ich an der richtigen Stelle angekommen bin.«
    »Ja.«
    Nun hatte aber Schneeganß Bedenken, hier in aller Öffentlichkeit Ostereiersuchen zu spielen, so mit Zurufen ›Wasser, Wasser‹, wenn man weit entfernt vom Fundort war und sich sogar noch von ihm entfernte, bei ›Kohle‹ kam man ihm näher, und ›Feuer!‹ wurde gerufen, wenn das versteckte Osterei zum Greifen nahe war. »Machen Sie mal«, sagte er deshalb zu Hinz.
    Und so ließ sich dann Gisbert Hinz so lange dirigieren, bis Carola Laubach »Halt!« gerufen hatte.
    Die beiden LKA -Männer waren so herrlich lakonisch, dass es in Hollywood problemlos zum Oscar für die beste Nebenrolle gereicht hätte. So setzten sie in anderthalb Metern Entfernung von der ersten Stelle zur zweiten Grabung an. Hier war die Erde wesentlich lockerer, was die Vermutung bestätigte, dass an dieser Stelle erst vor kurzer Zeit jemand gebuddelt hatte.
    Die herausgeworfenen Schollen wurden immer größer und immer gelblicher, und schnell war eine Grube ausgehoben, die knapp zwei mal zwei Meter messen mochte.
    »Vielleicht finden sie hier noch Erdöl«, hörte Schneeganß jemand sagen.
    »Eher Kohle«, entgegnete Pfarrer Eckel. »Während der Blockade wollten die West-Berliner oben zur Invaliden-Siedlung hin einen Braunkohletagebau eröffnen, da soll ja wirklich etwas liegen.«
    Aber keine Braunkohle wurde zutage gefördert, sondern dicker Lehm. Kein Wunder, denn die Ortschaft hinter Frohnau hieß Glienicke, und Glin war das slawische Wort für Lehm.
    Mit einem Male kam der Ruf von einem der LKA -Leute: »Hier liegt wirklich was!«
    Schneeganß und die anderen Offiziellen drängten nach vorn. Und siehe da, nicht lange, so war ein Toter aufgedeckt, der zu großen Teilen noch in Kleiderresten steckte. Der Lehm musste alles konserviert haben.
    Die Bewegung wuchs, und alle Augen richteten sich auf Wiederschein und seine Frau, die wie versteinert vor sich hinstarrten und nur dann und wann einen scheuen Seitenblick in Richtung Grube taten.
    »Nun haben sie ihn!«, murmelten die Leute, wobei Schneeganß nicht klar war, ob sie Schulz als Opfer oder Wiederschein als Mörder meinten.
    Eine Pause trat ein, dann fasste Schneeganß Wiederschein und seine Frau am Arm und führte sie dicht an die Grube.
    »Und, was sagen Sie nun?«
    Wiederschein verzog keine Miene, seine Frau faltete die Hände wie zum Gebet und sagte dann fest und feierlich: »Ich sage, dass dieser Tote unsere Unschuld bezeugen wird.«
    Und während sie so sprach, kam der Chef der LKA -Leute zu Schneeganß und sagte, ohne irgendeine Frage abzuwarten, mit kühler Geschäftsmäßigkeit das, was die Sensation des Tages werden sollte.
    »Ja, der Tote hier liegt schon lange an dieser Stelle. Ich denke, seit den letzten Kriegstagen, seit April, Mai 1945. Wahrscheinlich ein desertierter deutscher Soldat.«
    Kaum dass diese Worte gesprochen waren, so war ihr Inhalt auch schon bewiesen, und jeder schämte sich, so wenig kaltes Blut bewahrt zu haben und die armen Wiederscheins im Vorhinein verurteilt zu haben. Alle nahmen sich vor, es wiedergutzumachen.

6.
    … und nur selten war es, daß irgendwer ernsthaft auf den Fall zu sprechen kam und bei der Gelegenheit seine Verwunderung ausdrückte, daß die Leiche noch immer nicht angetrieben sei. Dann aber hieß es, »der Tote lieg im Schlick, und der Schlick gäbe nichts heraus, oder doch erst nach fünfzig Jahren, wenn das angeschwemmte Vorland Acker geworden sei. Dann würd er mal beim Pflügen gefunden werden, geradso, wie der Franzose gefunden wär.«
    (Theodor Fontane, ›Unterm Birnbaum‹)

     

     
    Angela Wiederschein litt schwer unter ihrer Schuld. Jetzt, wo der Verdacht dank der List ihres Mannes von ihnen genommen worden war, wurde alles nur noch schlimmer. Oft war sie versucht, zu diesem Schneeganß zu gehen und ein Geständnis abzulegen, denn für fünf Jahre im Gefängnis zu sitzen und wirklich zu büßen, erschien ihr als Erlösung. Aber es war unmöglich, diesen Weg allein zu gehen, und ihr Mann hätte womöglich vor Gericht ein Lebenslang zu hören bekommen, denn er war es ja, der Schulz mit dem Kissen erstickt hatte, sie war nur Mitwisserin und hatte beim Vertuschen der Tat Hilfe geleistet. Aber was hieß da ›nur‹? Hätte sie ihrem Mann energisch widersprochen, wäre Schulz noch am

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