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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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können, aber schon auf dem Weg nach Hause war er wieder frei davon und fand es gut und richtig, die Welt von einem Unmenschen wie Siegfried Schulz befreit zu haben.
    Als er im ›à la world-carte‹ angekommen war, zuckte er zusammen, denn die modisch chic gekleidete Dame, die dort auf der Bodenplatte der Garage stand, hatte eine unglaubliche Ähnlichkeit mit seiner angeheirateten Verwandten, mit Schulz’ Frau. Er hatte Sandra Schulz in seinem Leben keine dreimal gesehen und seit der Hochzeit, zu der die ganze Familie eingeladen worden war, eigentlich gar nicht mehr, sodass seine Verunsicherung verständlich war. Doch, sie war einmal zum Essen im Restaurant gewesen, aber da hatte er nur ein paar Worte mit ihr gewechselt.
    Für die Ferne brauchte er eine Brille, und so machte er ein paar Schritte in Richtung Zaun. Da sah er dann, dass sie es tatsächlich war. Mein Gott, und sie stand genau auf der Grabplatte ihres Mannes, ohne auch nur das Geringste zu ahnen, zu spüren, zu fühlen. Wäre er nicht so erschrocken gewesen, hätte Wiederschein gegrinst: Eine schönere Tragikomödie ließ sich nicht denken.
    Warum aber stand sie auf der Baustelle nebenan? Dass der Professor Schönblick sein Grundstück mitsamt dem begonnenen Neubau verkauft hatte, war ihm natürlich zu Ohren gekommen, aber er wusste nicht, an wen. Doch unmöglich an Sandra, das hätte ihm Schulz sicher erzählt, als er hier gewesen war, und es wäre des Zufalls auch zu viel gewesen. Und wer war der Mann an ihrer Seite? Ihr Anwalt, ihr Lover, ein Privatdetektiv?
    Wiederschein war sich unsicher über die optimale Vorgehensweise. Sollte er im ›à la world-carte‹ verschwinden, ohne sie zu begrüßen, oder sollte er offensiv auf sie zugehen und über das Verschwinden ihres Mannes mit ihr reden? Er entschloss sich zur zweiten Variante und tat so, als würde er gedankenverloren durch seinen Garten schreiten, um aus der Remise hinten eine Liege zu holen. Ganz wie er es erwartet hatte, rief sie seinen Namen, als er an ihr und ihrem Begleiter vorüberkam. Gut gespielt fuhr er zusammen.
    »Sie hier, Frau Schulz? Oder: Sandra … Hatten wir uns eigentlich … als Cousin und Cousine oder Onkel und Tante oder Tante und Neffe oder was weiß ich …?«
    »Nein, aber duzen wir uns.«
    Sie kam an den Zaun, der von ihm nur notdürftig geflickt worden war, nachdem er Schulz hindurchgezogen hatte.
    »Mein herzliches …« Wiederscheins Herzschlag setzte aus. Fast hätte er gesagt ›mein herzliches Beileid‹ und sich verraten, denn diese Wendung gebrauchte ja nur einer, der wusste, dass der Lebens- oder Ehepartner des anderen gestorben war.
    Sandra Schulz lächelte. »Danke für dein Mitgefühl, ja, es ist schon schrecklich alles, aber …«
    Nun lächelte auch Wiederschein, denn dieses Aber sagte alles, fasste zusammen, dass der Tod ihres Mannes für sie ein Geschenk des Himmels war. Und irgendwie kam er sich wie ein Killer vor, den sie dafür bezahlt hatte, Schulz aus dem Weg zu schaffen. Irgendwie juckte es ihn zu sagen: › Den Dank, Dame, begehr’ ich nicht!, aber wenn Sie 10.000 Dollar auf mein Konto überweisen würden, hätte ich nichts dagegen, denn so viel muss es Ihnen doch wert gewesen sein, von diesem Scheusal erlöst zu werden.‹
    Das sagte er nicht, er fragte sie, nachdem sie eine halbe Minute lang pietätvoll geschwiegen hatten, ob sie nach Frohnau gekommen sei, um mit ihm und Angela über die letzten Stunden ihres Mannes zu reden.
    »Nein, das auch, aber … Darf ich dir Karsten Klütz vorstellen.« Sie wartete, bis Klütz an den Zaun gekommen war und Wiederschein die Hand gereicht hatte. »Karsten und ich …«
    »Ich habe das Grundstück hier gekauft«, sagte Klütz. »Wir werden also in Zukunft Nachbarn sein.«
    »Freut mich«, log Wiederschein, denn dieser Klütz war ihm vom ersten Augenblick an herzlich unsympathisch. Typen wie er hatten ihn auf dem Schulhof immer verprügelt. Später waren sie dann Polizisten und Zöllner geworden und hatten ihn in den Knast gebracht.
    »Karsten war mal ein bekannter Fußballer«, erklärte ihm Sandra Schulz.
    »Ah, ja.« Wenn Wiederschein etwas hasste, dann waren es diese hirnlosen Jungmillionäre. Es war offenbar Sandras Schicksal, immer nur auf Kotzbrocken abzufahren. Aber es gab ja auch Frauen, die Mörder liebten. Wie seine zum Beispiel.
    »Du hast ein wunderschönes Restaurant«, sagte Sandra Schulz.
    »Ja, kommt doch bitte rüber«, sagte Wiederschein. »Ihr seid herzlich eingeladen. Unsere Dorade heute

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