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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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denn?«
    »Um diesen Wiederschein.«
    Siebenhaar horchte auf. »Um den vom Restaurant da?«
    »Ja.«
    »Was ist mit dem?«, fragte Siebenhaar.
    »Dessen Onkel ist doch spurlos verschwunden, dieser Autohändler …«
    »Siegfried Schulz, ich weiß. Haben Sie etwa eine Ahnung, wo der …?«
    »Ja …« Carola Laubach machte eine kleine Pause, um die Wirkung ihrer Worte zu erhöhen. »Ich vermute, dass er bei Wiederschein unterm Kirschbaum liegt.«
    »Wie …?« Siebenhaar konnte das nicht einordnen.
    Carola Laubach musste erst abwarten, bis eine radelnde Wandergruppe vorüber war. »Ich habe Wiederschein in der Mordnacht gesehen, wie er in seinem Garten etwas vergraben hat.«
    »Mordnacht?«, fragte Siebenhaar. »Welche Mordnacht? Es steht doch noch gar nicht fest, dass Schulz einer Bluttat zum Opfer gefallen ist.«
    »Nein, aber … Alles sucht nach seiner Leiche; ich weiß, wo sie liegt.«
    Siebenhaar hatte Mühe, sich nicht an den Kopf zu fassen. »Aber, liebe gute Frau Laubach, Schulz ist am Morgen nach Ihrer angeblichen Mordnacht gesehen worden, wie er in seinen Porsche gestiegen und abgefahren ist. Wie soll ihn Wiederschein da vergraben haben?«
    »Weggefahren ist ja nicht Schulz selbst, sondern ein Doppelgänger.«
    »Im Film gibt’s das, aber nicht im wirklichen Leben«, erwiderte Siebenhaar.
    »Im wirklichen Leben ist Hape Kerkeling für die holländische Königin gehalten worden«, hielt ihm Carola Laubach entgegen.
    »Bitte, Frau Laubach, lassen wir’s lieber«, sagte Siebenhaar. »Ich hab’s nicht so gerne, ausgelacht zu werden. Andererseits …« Wiederschein gehörte ja zu den Menschen, die er hasste.

     
    *

     
    Es hatte sich in Frohnau in Windeseile herumgesprochen: »Wiederschein hat den Schulz umgebracht und bei sich im Garten vergraben!« Auch in einer bevorzugten Wohngegend mit Menschen der gehobenen Stände war die Gier nach Neuem groß, und so strömten alle, die nichts Dringendes zu tun hatten, Schulkinder und Hundebesitzer an der Spitze, zum ›à la world-carte‹, um zuzusehen, wie die Leiche ausgebuddelt und im Zinksarg weggeschafft wurde. Sicher, man kannte das aus dem Kino und aus dem Fernsehen. Aber live war eben live und durch nichts zu ersetzen.
    Die Polizei war zwar mit einem Mannschaftswagen angerückt, aber Siebenhaar tat alles, um strikte Absperrmaßnahmen zu verhindern, denn zum einen wollte er seinen Frohnauern die Show nicht verderben und zum anderen gönnte er es diesem Arschloch Wiederschein von ganzem Herzen, so an den Pranger gestellt zu werden. Wenn auch die Straße vor dem Restaurant abgesperrt war, so bot doch das Baugrundstück nebenan allen Gaffern genügend Platz, und wer dort keinen Platz mehr fand, der durfte gern bei Carola Laubach an den Zaun treten.
    Schneeganß stand neben Siebenhaar und wartete, bis die Männer vom LKA unterm Kirschbaum angekommen waren. Nachdem ihn der Dorfgendarm angerufen hatte, war er sofort zu seinem Vorgesetzten geeilt, um sich das Placet einzuholen, das Nötige zu veranlassen. Man hatte keine Sekunde gezögert, zu eindeutig schienen die Fakten.
    Vorn am Eingang des Restaurants hing das Schild ›Vorübergehend geschlossen‹, und Wiederschein, seine Frau und das Personal des ›à la world-carte‹ lehnten schweigend am Anbau. Schneeganß musste unwillkürlich an die Wendung denken: Sie wurden kurzerhand an die Wand gestellt. Aber noch war es nicht so weit …
    Als Staatsanwalt und Untersuchungsrichter eingetroffen waren, fuhren die Spaten der beiden Männer vom LKA in den Boden, der hart und trocken war. Im inneren Zirkel ging es still und würdig zu, was aber die Zuschauer anging, da plapperte alles und erging sich in witzigen Bemerkungen, und wäre nicht Wiederschein gewesen, der, die Blicke seiner alten Freunde vermeidend, ernst und schweigend vor sich hinsah, so hätte man glauben können, diese Ausgrabung sei Teil des alljährlichen Frohnauer Weinfestes. Angela Wiederschein hatte die Augen geschlossen und murmelte etwas, das Schneeganß wie ein Gebet erschien.
    Die Männer mit dem Spaten kamen indes nicht weiter, weil ihnen dicke Wurzeln im Wege waren. »Holt mal jemand ein Beil!«
    »Moment!«, rief Schneeganß. »Wenn da einer erst eine Woche liegen soll, dann können die Wurzeln nicht schon wieder nachgewachsen sein.« Damit wandte er sich an Siebenhaar. »Die Frau Laubach soll kommen und uns ganz genau die Stelle zeigen, wo nachts gegraben worden ist.«
    Carola Laubach meldete sich von drüben. »Das Grundstück von Herrn

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