Unterm Strich
ihrer kritischen Lektüre des Manuskripts einen großen Gefallen getan und mich vor manchem Fehler bewahrt. Dem Verlag Hoffmann und Campe, vertreten durch Herrn Günter Berg und Herrn Jens Petersen, danke ich für eine erquickliche Zusammenarbeit. Und last but not least danke ich meiner Frau Gertrud. Ihr erschien ich neun Monate als Einsiedler, den sie mit allerlei Speisen und Scrabble-Partien gelegentlich vom Schreibtisch zu locken verstand. Ihr verdanke ich manche Übersetzung in eine verständliche Umgangssprache. Die Scrabble-Partien verlor ich 1:9.
Bonn und Berlin, den 15. Juli 2010 Peer Steinbrück
UNTERM STRICH
I - Untiefen voraus
Die Neuverteilung des globalen Wohlstands
Eine globale Finanz-, Wirtschafts- und Fiskalkrise wie die gegenwärtige, die zur Entkräftung ganzer Nationalstaaten führt, hat es in einer solchen Kombination und Schärfe noch nicht gegeben. Wir sprechen mit Recht von einer Zäsur. Aber wie noch jede Krise verschafft uns auch diese zumindest einen Vorteil: Sie schärft unseren Blick und zeigt uns wie in einem Vergrößerungsglas wirtschaftliche und politische Prozesse, die wir bisher eher verdrängt haben. Kurz, die Krise hilft uns, größere Zusammenhänge besser zu verstehen.
Es gehört zweifellos zu den bitteren Erkenntnissen der letzten zwei Jahre, dass die Krise am Ende nur eine Entwicklung beschleunigte, die lange vor ihrem Ausbruch angelegt war, nämlich eine tektonische Verschiebung der wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse. »Die Welt bleibt nie im Gleichgewicht«, heißt es bei Paul Kennedy. »Die Wirtschaft von Regionen oder Nationen wächst zu bestimmten Zeiten schneller als anderswo. Geschieht das, dann wachsen auch Macht und Einfluss, weil sich wirtschaftliche Stärke, die ihrem Wesen nach materiell und physisch ist, schnell in politische und militärische Stärke übersetzen lässt.«
Eine solche zwischen den einzelnen Regionen und Ländern unterschiedlich sich entwickelnde Wirtschaftsdynamik ist eng gekoppelt an die Globalisierung. Die ist mindestens seit den Zeiten der Phönizier ein immer wiederkehrendes Phänomen. Ihre heutige Eigenschaft und Schubkraft geht auf eine Reihe massiver Veränderungen in den letzten 20 bis 30 Jahren zurück. Am Anfang dieses Zeitabschnitts steht die Öffnung Chinas in der Ära von Deng Xiaoping Anfang der achtziger Jahre. Er legte den Grundstein für eine moderne, autoritäre politische Führung, die unter dem ideologischen Überbau kommunistischer Prägung eine staatskapitalistische Wirtschaftsweise etablierte. Seitdem ist der Riese aufgewacht.
Anfang der neunziger Jahre gab dann die Implosion der Sowjetunion und ihrer Satrapen vielen Nationalstaaten die Unabhängigkeit zurück und räumte ihnen eigenständige Rollen auf der politischen Weltbühne und im Welthandel ein. Zuletzt sind mit der fortschreitenden Integration Indiens und der ASEAN-Staaten »zusätzlich über drei Milliarden Menschen als handelnde Wirtschaftssubjekte der Weltwirtschaft beigetreten. Sie alle produzieren und exportieren, sie alle importieren und konsumieren« (Helmut Schmidt). Der Aufstieg weiterer Schwellenländer wie Brasilien zeichnet sich bereits deutlich ab. Ihre materiellen Sehnsüchte, ihr Aufstiegswille und ihr Fleiß sind bereits zu einem unverrückbaren Faktor in unserer Gleichung geworden. Da helfen weder Jammern noch Leugnen - und auch keine Parteitagsbeschlüsse.
Kurz: Der weltweite Wohlstand wird neu verteilt, und die Wirtschaftsstatistik mit ihren nüchternen Projektionen spricht dazu eine klare Sprache. Das Potenzialwachstum der Aufsteiger übertrifft dasjenige der Europäer um ein Vielfaches. Technologievorsprünge der alten Industrienationen schmelzen. Auf der anderen Seite backen die Hochschulen in den aufstrebenden Regionen der Welt jährlich Hunderttausende von Absolventen, insbesondere in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Güter- und Finanzströme suchen sich neue Wege zu neuen Zentren. Wichtige Rohstoffpotenziale liegen ohnehin außerhalb der Alten Welt.
Die neuen Mitbewerber haben schnell gelernt. Sie sind jung, ehrgeizig und belastbar - ein Pulk von Läufern, die schnell näher kommen und uns zu überholen suchen. Sie kennen sich inzwischen mit dem Strom aus, der Wohlstand speist - dem Strom von Know-how, Kapital, Rohstoffen und Energie, Gütern und Menschen, die qualifiziert und kaufkräftig sind. Dazu werden Drehscheiben für Flugreisende, Häfen für den Güterumschlag, Logistikketten, Finanzzentren,
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