Unternehmen CORE
jedem Gefäß zu klettern, in das es gelegt wurde. 1942 war es ein seltener Stoff, so selten, daß man es sich nicht erlauben konnte, es fortlaufen zu lassen. Weswegen der junge muskulöse Cyrus Hudder ausersehen wurde, einen der ersten Transporte vom Mittleren Westen in den Südwesten zu begleiten; er sollte sicherstellen, daß es in seinem Behältnis in der bleiummantelten Aktentasche blieb.
Der Santa Fé-Eisenbahnlinie gelingt es, auf ihrem Weg nach Albuquerque, vorbei an den südlichen Ausläufern der Sangre de Cristo-Berge, Santa Fé in einem Abstand von einigen Meilen zu passieren. Der einundzwanzig Jahre alte Cyrus kletterte an einer staubigen, in trockener Landschaft gelegenen Haltestelle namens Lamy aus dem metallenen Stromlinienzug, die Aktentasche hatte er an seine Seite geklemmt. Eine Chevrolet-Limousine mit trübem olivgrünen Anstrich wartete auf ihn, um mit ihm in den fahlen Sonnenuntergang zu fahren.
Auf eigenen Wunsch und unter Mithilfe einiger bürokratischer und wissenschaftlicher Vorfälle kehrte Cyrus nicht eher nach Chicago zurück, bis der Staub einer Stadt namens Hiroshima sich über die ganze Welt gelegt hatte.
April 1945. Cyrus befand sich in einem tiefen Canyon, umgeben von Klippen aus sandigem, gelbgrauen vulkanischen Tuffgestein. Es war ein schöner Ort, so schön wie keiner mehr, seitdem ihn vor vielen Jahren sein Vater zu den Ponyausritten in die Sierra Nevada mitgenommen hatte. Grashüpfer zirpten faul in der klaren warmen Luft. Hohe Pinien stöhnten im Wind und der leichte Lufthauch, der durch sie hindurchfuhr, ahmte die Geräusche eines Flusses nach, der über Granitfelsen stürzte. Die Luft war erfüllt mit Harzgeruch und dem Vanilleduft der Ponderosa-Rinde.
Eine amplifizierte Stimme, bar ihrer resonanten Frequenzen, hallte durch den engen Canyon. »Alle Personen das Gebiet verlassen. Das Gebiet verlassen und Schutz suchen. Noch dreißig Sekunden bis zur Detonation.«
Cyrus war nicht hier, um die Szenerie zu genießen; sein Weg zu diesem Ort war kein Spaziergang, den er zu seinem Vergnügen unternommen hatte. Er verkroch sich mit anderen Männern im kühlen Inneren eines mit Sandsäcken verstärkten Blockhauses, mit einem Fernglas spähte er durch einen engen Schlitz in den friedlichen Sandia Canyon. Sandia bedeutete im Spanischen Wassermelone; seine Aufmerksamkeit gehörte zwei weiteren Sandsack-Blockhäusern, die eine Viertel Meile entfernt lagen und Kameras und elektronische Instrumente beherbergten und vor allem dem Ding, das sich, so groß wie eine Wassermelone, zwischen ihnen befand.
Dort, auf einer hölzernen Plattform, eingehüllt in Kabelbündel, saß eine Kugel mit Sprengstoff, die in ihrem Inneren ein Kugellager enthielt, groß und schwer genug, um das Gewicht einer hydraulischen Turbine zu tragen.
»Zwanzig Sekunden bis zur Detonation.«
Die G-Gruppe – G für Gerät – hatte in die Mitte des Stahllagers eine Öffnung gebohrt und eine walnußgroße Weichmetallkugel eingesetzt. Dann hatten sie die Öffnung mit einer großen Schraube verschlossen, was zum Spitznamen Screwball führte. Es war nicht der erste Screwball, den die G-Gruppe im Sandia Canyon in die Luft jagte, noch sollte es der letzte sein. Nicht für die Wochen, die noch folgen sollten.
»Zehn Sekunden. Neun. Acht …«
Zweck der Übung war die Entwicklung eines Auslösers für die Plutoniumbombe; das Stahllager stellte die Plutoniummasse dar, ein Metall, das so begierig danach war, mit sich selbst zu reagieren, daß man es von sich selbst fernhalten, daß man es von sich selbst zurückhalten mußte in Form zweier getrennter subkritischer Halbkugeln – bis zum Moment der Detonation. In diesem Moment sollten die umliegenden Sprengstofflinsen die Halbkugeln von allen Seiten eindrücken, so daß eine kritische Masse entstand. Ein skeptischer Wissenschaftler verglich das Problem mit dem Versuch, eine Bierdose zu zerschmettern, ohne daß dabei Bier verschüttet werde.
Eine kleinere Weichmetallmasse saß zwischen den Plutoniumhemisphären, die dafür sorgen sollte, daß das Plutonium effizient mit sich selbst reagierte. Manche bezeichneten die Masse als »Igel«, doch das war unüberlegt, verwies es doch auf seine äußere Form; ein Igel oder Seeigel trägt, solange er am Leben ist, Stacheln zur Schau, oder er besitzt, wie die ausgebleichte Schale eines Seeigels, Löcher oder Grübchen.
Unabhängig von seinem exakten Aussehen bestand das Herzstück des Igels aus radioaktivem Polonium, die äußere
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