Unternehmen Delphin
offiziell Thomas Burley, handelte mit Briefmarken und war ein stiller, in Philatelistenkreisen angesehener Mann mit großen Fachkenntnissen.
»Ich übernehme«, sagte Tulajew in seiner trockenen Art, die Jurij Valentinowitsch so haßte, weil man nie wußte, was der Kerl wirklich dachte und wie gut seine Verbindungen zu Moskau waren. »Was ist bisher getan worden?«
»Nur Beobachtungen«, sagte Ischlinski. »Negative Ergebnisse.«
»Ist die Zentrale unterrichtet?«
»Natürlich!« Ischlinski war beleidigt. Wieder so eine arrogante Frage, dachte er. Er weiß doch genau, daß nichts geschieht, ohne daß Moskau informiert ist.
»Auch die Abteilung V?«
»Welche Frage!« Ischlinski wölbte die Unterlippe vor. Diese Abteilung V der I. Hauptabteilung des KGB in Moskau hieß amtlich ›Abteilung Exekutive Aktion‹ und war zuständig für die in der KGB-Sprache so genannten ›mokrie dela‹, die ›nassen Angelegenheiten‹, womit man blumig ausdrückte, daß diese Aktionen mit Blut verbunden waren. Wenn die Abteilung V eingriff, gab es keine Moral und kein Erbarmen mehr, sondern nur noch die ›Lösung des Problems‹. Ganz gleich, auf welche Weise. »Aber ich habe von V noch keine Nachricht erhalten, Leonid Fedorowitsch.«
»Ich werde mich darum kümmern«, sagte Tulajew in seiner knappen Art. »Sie sind ab sofort entlastet, Jurij Valentinowitsch.«
Ischlinski wurde rot bis hinter die Ohren, aber er beherrschte sich. Ein widerlicher Mensch, dachte er. Zwischen die Augen könnte man ihm spucken. Aber gleichzeitig fühlte er sich befreit. Die Verantwortung war er nun los. Tulajew, der Spezialist ohne Gewissen, verfügte über andere Möglichkeiten.
»Viel Glück wünsche ich Ihnen«, sagte Ischlinski mit höflicher Ironie. Tulajew grunzte nur und beendete damit das Gespräch.
Er war längst informiert. Der Tod von Fisher hatte die Abteilung V in Moskau nervös gemacht. Wer hatte ihn erschossen, wenn selbst das CIA ratlos war? Wer kreuzte da unerkannt den Weg des KGB? Es war eine Frage, die allein Tulajew klären konnte mit der Rücksichtslosigkeit der Abteilung V, die nur Endgültiges hinterließ.
Aber das wußte Ischlinski nicht. In Moskau hatte man seine eigenen Ansichten, wer über was informiert werden sollte.
Die Schüsse hatten am Wagen keine nennenswerten Schäden hinterlassen. Viermal war die Tür der Fahrerkabine getroffen worden, sehr zur Erleichterung der Fahrer, die mit Recht darauf hinweisen konnten, daß ihnen gar nichts anderes übrig geblieben war, als in volle Deckung zu gehen.
Dr. Clark verzichtete darauf, sie weiterhin feige Hunde zu nennen, und klopfte gegen die große Ladetür. Von innen hörte er Helens erstaunlich ruhige Stimme:
»Wer ist da?«
»Ich. David.«
Von innen wurde der schwere Riegel weggeschoben. Die Tür klappte auf. Alles Licht hatte Helen ausgeschaltet, man erkannte die Wand des Bassins und darüber den helleren Fleck des Plexiglasdaches, aber von ihr war nichts zu sehen. Sie stand in Deckung seitlich der Tür.
»Es ist vorbei, Helen«, sagte Clark. »Ich bin es wirklich.«
Sie tauchte aus der Dunkelheit auf, in der Hand eine Pistole, und trat gleichzeitig auf den Knopf, der die automatisch herausfahrende Einstiegleiter in Bewegung setzte. Clark sah Helen bewundernd an.
»Du hast eine Waffe?« fragte er.
»Schon immer.«
»Das habe ich nicht gewußt.«
Sie wartete, bis Clark heraufgestiegen war, und drehte dann die Notbeleuchtung an. »Da soll einer mal sagen, in Amerika gäbe es keine Straßenräuber mehr«, lachte sie etwas gequält. »Wenn ich mir vorstelle: Sie überfallen einen Truck, und was erbeuten sie? Delphine! Hätten die geflucht …«
»Es waren keine Straßenräuber.« Clark trat an das Becken und beugte sich hinüber zum Wasser. Delphin Harry und seine Kameraden schwammen unruhig hin und her und pfiffen leise durch das Spritzloch über ihren Nasen. »Es waren vier Männer in zwei Wagen …«
»Vier?« Ihr Gesicht fiel plötzlich zusammen. »Und sie sind geflohen?«
»Ich habe zwei von ihnen verwundet.« Clark setzte sich auf das Bett in der abgeteilten Kabine. Der Delphinwärter, der Helens Rabbit fuhr, stand draußen bei den Truckfahrern und rauchte bleich eine Zigarette nach der anderen. Er war ein paar hundert Meter hinter dem Delphinwagen gewesen, als der Überfall geschah. Er hatte sofort gebremst, war dann langsam weitergefahren und hatte gerade noch gesehen, wie zwei Mann einen dritten von der Straße wegschleiften, in ein Auto warfen und
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