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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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absichtlich etwas zu hart an eine wunde Stelle in der Seite stieß. Luigi stöhnte auf, lächelte jedoch.
    »Das war ein Einfall des Alten«, sagte Carl nachdenklich und mit vollem Mund.
    »Wer ist der Alte?« fragten die beiden gleichzeitig.
    »Unser Chef. Oder vielmehr unser inzwischen pensionierter Chef, der uns geschaffen hat«, erwiderte Carl. Er verzichtete darauf, noch mehr Chili nachzuschieben, und fuhr statt dessen fort.
    »Der Alte erfuhr natürlich von dieser amerikanischen Einstellung. Er dachte also etwa so, wenn wir die Rekruten diese Scheiße einmal im Jahr durchmachen lassen, und das im Lauf von fünf Jahren, während der gesamten Ausbildungszeit, werden wir noch einen Tick besser. Dann wissen unsere Jungs, daß sie etwas tun können, was sonst niemand getan hat. Also sind wir die Besten der Besten, und so weiter. Weiß der Teufel, ob das stimmt, aber hier sitzen wir jetzt jedenfalls. Alle in unserer Waffengattung haben es hinter sich gebracht, und damit stehen wir in der Welt allein. Skål.«
    »Was sollte eigentlich diese Scheiße mit dem kreativen Schreiben am Ende?« wollte Göran Karlsson wissen. »Diese Scheißkerle trugen einen raus und kippten einem kaltes Wasser über den Körper und nannten uns Scheißkerle und sagten, man sei durchgefallen und eine Schande für das Menschengeschlecht und so etwas. Dann hieß es plötzlich, gratuliere, du hast bestanden. Was soll das eigentlich?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Carl zögernd. »Das ist etwas Amerikanisches, eine Vorstellung von Selbstbeherrschung. Vielleicht wollen sie den Leuten einprägen, daß man zusammenbrechen kann. Im Grunde verstehe ich es nicht. Dieses Gefühl von Überlegenheit, das sie schaffen wollen, bricht ja sofort zusammen, sobald diese Kerle in der Gefangenschaft landen. Seht euch nur diese Flieger im Irak an. Kurz, ich glaube nicht, daß das der wertvollste Teil eurer Ausbildung gewesen ist. Ihr sollt schließlich nicht an irgendwelchen Sandstränden an Land gehen und fünfzig Prozent Verluste in Kauf nehmen. Dazu seid ihr unter anderem viel zu kostbar.«
    Eine Riesenplatte mit Enchiladas wurde aufgetragen, während Carl gleichzeitig aufging, daß er einiges gesagt hatte, was er lieber nicht hätte sagen sollen.
    »Wie hoch sind unsere Verluste?« fragte Göran Karlsson nach einer Weile. Carls letzte Äußerung hatte ihn etwas niedergeschlagen gemacht.
    »In jüngerer Zeit hat unsere Abteilung, womit ich also diejenigen meine, die unsere Ausbildung mitgemacht haben, null Verluste gehabt.«
    »An den Computern oder im Kampf?« fragte Luigi eifrig.
    »An den Computern haben wir uns nur manchmal verrechnet. In den letzten Jahren ist die Abteilung fünf oder sechsmal in Kampfsituationen gewesen. Der jeweilige Feind hat einige schwere Verluste an Toten und Verwundeten erlitten. Allerdings sind alle unsere Maschinen wohlbehalten zur Basis zurückgekehrt. Das ist natürlich alles geheim, wie euch hoffentlich klar ist, aber etwa so sehen die Fakten aus. Unsere Verluste bisher sind gleich Null.«
    Keiner nahm den Faden auf, da ausführlichere Fragen so offenkundig als unangemessen angekündigt worden waren. Sie aßen und tranken eine Zeitlang schweigend.
    Carl sah sie an und erinnerte sich an seine eigenen Schürfwunden und seinen körperlichen Schmerz. Jetzt war all das bemerkenswert weit weg und fast ohne Bedeutung. Ich würde gern eine Hell Week pro Monat machen, redete er sich wider alle Vernunft ein, wenn ich nur mit den beiden jungen Männern tauschen könnte, die mir jetzt mit schmerzenden Körpern und stolzgeschwellter Brust gegenübersitzen. Jetzt waren es mehr als zehn Jahre her, seit er einer von ihnen gewesen war, rein und ehrlich, blauäugig, jung und voll schwedischer Vorstellungen von einem geordneten Leben, einem geregelten Dasein mit Familie und einem freien Wochenende.
    Seine Tochter würde bald ein Jahr alt sein, und seit weit mehr als einem Jahr hatte er ein Verhältnis mit einer anderen Frau, die er jetzt nach Kalifornien mitgenommen hatte. Wäre das Ganze richtig modern und schwedisch gewesen, wäre seine Geliebte mit einem Ticket geflogen, das mit dem Plastikkärtchen des Staates bezahlt worden wäre. So jedenfalls benahmen sich die normalen Schwindler der unberührbaren schwedischen Obrigkeit. Er zwang sich, die schäbigen Worte zu denken, und schmierte sich eine Zeitlang mit Selbstverachtung und Selbstmitleid ein.
    Plötzlich erschienen ihm die gegenübersitzenden Männer noch so rein und unverdorben, fast

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