Unternehmen Vendetta
dem Schreibtisch lagen. Er wollte zeigen, daß er noch andere und womöglich wichtigere Dinge zu tun hatte.
Carl nickte müde und ging. Als er mit der Dokumentensammlung, die er von der Sekretärin seines Chefs erhalten hatte, sein Zimmer betrat, versuchte er zunächst zu lesen, ermüdete aber fast augenblicklich. Er fand in der Akte ein Flugticket und stellte fest, daß ihm noch weniger als vierundzwanzig Stunden in Stockholm blieben.
Das veränderte alles. Er fühlte sich feige, als er seine Gefühlsreaktion zu verstehen versuchte. Er hatte Tessie versprochen, sofort nach der Rückkehr aus Kalifornien alles zu regeln, Eva-Britt alles zu gestehen, die finanziellen Dinge zu regeln, über das Sorgerecht zu sprechen, alles.
Statt dessen sollte er jetzt wegen einer idiotischen Verhandlung mit ein paar simplen Verbrechern nach Italien fliegen. Sollte mit Tölpeln reden, die Menschen Finger abschnitten. Wahrlich eher eine Sache für die Polizei als für den Nachrichtendienst. Und dann mußte er Tessie das hier erklären. Es würde sich für sie wie ein Vorwand der eher schwachsinnigen Art anhören. Denn neuerdings legte sie eine fast chirurgische Präzision an den Tag, wenn es galt, seine Ausflüchte in Stücke zu schneiden. Es sah düster aus, sehr düster.
2
Er hatte wie gewohnt im Flugzeug geschlafen. Die Hotelsuite erinnerte ihn an ein Bordell der oberen Preisklasse, und wenn er den Namen des Hotels, Hassler, auf englisch aussprach, bedeutete das Wort sehr richtig Ganove.
Auf dem Marmortisch im Wohnzimmer standen ein Sektkühler mit Schmelzwasser und einer Flasche, möglicherweise Champagner, sowie zwei Gläser auf weißen Deckchen. Neben den Gläsern lag eine Karte, auf der der Geschäftsführer des Hotels ihn als Schweden besonders willkommen hieß. Dann folgte ein Hinweis auf den jetzigen schwedischen König oder den davor. Carl nahm die Flasche prüfend in die Hand und stellte fest, daß es tatsächlich Champagner der Marke Perrier war. Angesichts der Tatsache, daß die Zimmer mehr als eine Million Lire pro Nacht kosteten, war das kein übertriebenes Begrüßungsgeschenk. Er wußte zwar nicht genau, wieviel eine Million Lire in richtigem Geld sind, aber die Summe kam ihm trotzdem reichlich hoch vor.
Er ließ die Flasche in das geschmolzene Eiswasser gleiten und ging mit seiner Reisetasche ins Schlafzimmer. Dieses verstärkte noch den Eindruck von Liebesnest für Gutbetuchte. Die Farben Rosa und Gold dominierten, das Bett war riesig, aber ohne Besuchsritze in der Mitte.
Er suchte eine Weile nach einem Schalter, um die automatischen Rolläden vor den Schlafzimmerfenstern aufzubekommen, als könnte Tageslicht einige seiner Unlustgefühle abwaschen. Es half und brachte ihn vorübergehend auf andere Gedanken. Er blickte durch die französischen Fenster auf Efeu, Palmen und üppig belaubte Bäume, deren Namen er nicht kannte, die ihn aber an Ahornbäume mit Tarn-Uniform um die Stämme erinnerten.
Er packte seine Sachen aus, was schnell gemacht war, und hängte seine Anzüge in den reichlich bemessenen Kleiderschrank, stellte sein Reisenecessaire in das weiße Marmorbad, nahm die Dokumente an sich, die Beata für ihn zusammengestellt hatte, ging wieder ins Wohnzimmer und wiederholte die Prozedur mit den Rolläden.
Von jetzt an brauchte er nur noch zu warten. Er ließ die Schuhe zu Boden segeln, legte die Beine auf den Marmortisch neben den Champagner und blätterte in den Papieren auf dem Knie. Keine Geheimakten, soweit er sehen konnte. Das meiste waren Broschüren sowie einige Ausgaben von Marin-Nytt. Kein sonderlich anregendes Lesefutter.
Er rutschte auf dem Plüschsofa, das natürlich im gleichen Stil gehalten war wie alles andere, ein wenig zur Seite, um das Telefon zu erreichen, und wählte Joars Nummer. »Heute wird kaum mehr etwas passieren. Wahrscheinlich ruft mich nachher nur jemand an. Wenn du willst, kannst du gern in die Stadt gehen, wenn dir das lieber ist, als auf dem Bett zu liegen und zu lesen. Ich übernehme dann die erste Wache.« Joar witzelte:
»Aha, verstehe. Du hältst die Stellung am Nachmittag und am frühen Abend, damit du dann für Rome by Night frei hast.« Joar zog es jedenfalls vor, erst mal im Hotel zu bleiben und zu lesen. Er hatte von seiner Mutter zu Weihnachten eine Biographie Leonardo da Vincis bekommen. »Das paßt doch gut zu dieser Umgebung. Übrigens, sind die Zimmer nicht fabelhaft?«
»Aber ja, aber ja«, murmelte Carl und legte auf. Er holte tief Luft, bevor er sich
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