Unternehmen Vendetta
ständig Verbindung mit meinem Kontaktmann Oberst Da Piemonte. Sollten Sie weitere Auskünfte wünschen, verweise ich auf ihn.«
Als die Übersetzung fertig war, nickte der Untersuchungsrichter nachdenklich, während er nochmals in der vor ihm liegenden Mappe blätterte. Dann stellte er noch ein paar Fragen, in denen es wieder darum ging, daß doch Carl etwas über die in seiner unmittelbaren Nähe erfolgten Morde wissen müsse.
Als Carl erneut glatt leugnete, mehr durch eine bedauernde Geste als durch Worte, kam ein kurzer, aggressiver Ausbruch, der die Dolmetscherin erneut verunsicherte, bevor sie sich räusperte und sorgfältig etwas formulierte, was Carl als deutliche Drohung auffaßte.
»Voruntersuchungsrichter Canella weist darauf hin, daß es in Italien ein Vergehen ist, Informationen, die für eine laufende Voruntersuchung von Bedeutung sein können, zu verschweigen, unabhängig davon, wie die entsprechende Rechtslage in Schweden ist. Ein solches Zurückhalten von Informationen stellt einen Verhaftungsgrund dar. Sie können wegen etwas verhaftet werden, was im Englischen wohl am zutreffendsten durch den Begriff contempt of court bezeichnet wird. Kennen Sie diesen Begriff?«
»Ja«, erwiderte Carl. »Ich habe Ihnen aber die Informationen gegeben, die ich habe. Ich bedaure, falls meine Auskünfte nicht so erhellend gewesen sind, wie Sie sich vielleicht erhofft haben. Ich bin mir der Bedeutung des angelsächsischen Rechtsbegriffs sehr wohl bewußt, habe aber trotzdem nichts mehr zu sagen. Außerdem möchte ich mich ungern auf meine diplomatische Immunität berufen.«
Der Voruntersuchungsrichter lauschte der Übersetzung und nickte gelegentlich mit dem Kopf. Er sah nicht erstaunt aus, horchte aber auf, als die letzten Worte über die diplomatische Immunität fielen. Da zuckte er zusammen und warf Carl einen forschenden Blick zu, um dann eine Weile schweigend über die offenbar recht hoffnungslose Situation nachzugrübeln.
Die Frage der diplomatischen Immunität ist nicht ganz unkompliziert. Es ist keineswegs so, daß ein Diplomatenpaß zu verbrecherischer Tätigkeit berechtigt. Die Polizei kann aber auch nicht einfach losrennen und Personen festnehmen, die sich auf diplomatische Immunität berufen.
Canella überlegte weiter: Hinzu kommt das rein Praktische. Es ist wenig wahrscheinlich, daß dieser Mann weich wird, wenn ich ihn einsperre. Er wartet dann nur ab, bis ich ihn nicht länger festhalten kann oder bis politische Kräfte sich einmischen und schon vorher befreien.
Auch Voruntersuchungsrichter Giovanni Canella hatte einen kalten Hauch der Mißbilligung vom Palazzo her verspürt, was in seinem Fall ungewöhnlich war. Er war mit Mafia-Verbrechen befaßt, und normalerweise war es so, daß Il Palazzo nie etwas von sich hören ließ. Man unterstützte ihn nicht, legte ihm aber auch keine Steine in den Weg. Aber vor diesem Verhör hatte er einen seltsamen Anruf erhalten, der ihn zunächst in der Absicht bestärkt hatte, Hamilton nicht mit Samthandschuhen anzufassen, statt auf wohlgemeinte onkelhafte Ratschläge zu hören. Es bestand jedoch kaum Zweifel, wie es weitergehen würde, wenn er sich entschloß, Carl zu verhaften.
Canella stand auf und gab Carl die Hand.
Dieser verneigte sich erst höflich vor der Dolmetscherin, dann vor seinem Vernehmer und verließ das Zimmer.
Unten bei der Wache hatte es inzwischen offenbar einen Schichtwechsel gegeben. Die Quittung für seine Pistole löste einige Aufregung und Diskussionen aus, die er nicht verstand. Schließlich winkte man ihn durch die Schleuse und schob ihm seine Waffe durch die Luke der gepanzerten Glasscheibe, dazu eine Quittung, die er auf einer gepunkteten Linie unterschrieb. Er nahm jedenfalls an, daß es eine Quittung für die Rückgabe war. Dann schob er die Pistole ins Holster und ging in den strahlenden Sonnenschein und die brütende Hitze hinaus.
Der Wein hatte ihn schläfrig gemacht. Das merkte er jetzt, als die Hitze ihm zuzusetzen begann. Er schwitzte schon nach einem kurzen Spaziergang, konnte aber trotzdem die Jacke nicht ausziehen. Er vermutete wohl mit Recht, daß es selbst in Palermo zu großes Aufsehen erregen würde, wenn er sich offen bewaffnet zeigte.
Er schlenderte unbekümmert zur Piazza Indipendenza, seinem Orientierungspunkt, um sich in Da Piemontes Hauptquartier einzufinden, das gegenüber der Porta Nuova, dem massigen Triumphbogen mit dem aufgesetzten, klotzähnlichen Turm lag. Der Triumphbogen wurde von vier Riesen
Weitere Kostenlose Bücher