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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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konzentrieren. Das zugesagte Nachtquartier in der Kaserne oben am Corso Calatafimi scheine ihm eine angenehme Alternative zu sein. Er sei es leid, immer nur in Badewannen zu schlafen.
    Einige Stunden später verließ der im Sonnenuntergang deutlich sichtbare Zweimaster unter vollen Segeln den Golf von Castellammare mit Kurs Nordosten. Am Ruder saß der blonde amerikanische Riese. Es hatte den Anschein, als wollte das Segelboot Sizilien verlassen, vielleicht in Richtung Festland, vielleicht in Richtung einer der kleinen Inselgruppen im Norden, die etwa einen Tagestörn entfernt waren.
    Als sie sich weit genug von der Insel entfernt hatten, kroch Luigi von seiner hockenden Stellung in der Plicht hoch, faltete die Seekarten auseinander, zeigte Åke Stålhandske das Zielgebiet und berichtete über seine Inventur des Waffenvorrats in der Vorpiek.
    Als die Dunkelheit anbrach, beschrieben sie einen weiten Halbkreis und orientierten sich mit Hilfe des Leuchtturms bei Cap San Vito wieder in Richtung Land. Sie fühlten sich erleichtert, das Gebiet um Castellammare verlassen zu können; im Hafengebiet waren viele Polizisten unterwegs gewesen, und es hatte eine unangenehme Stimmung geherrscht. Die Dunkelheit war befreiend.
    Als die Dunkelheit sich senkte, stand Carl in einem schäbigen Turnsaal in der Kaserne am Corso Calatafimi, geschützt durch hohe Mauern, Stacheldraht, Sandsäcke und Wachtürme.
    Er war allein im Saal. Die Beleuchtung war schwach, die Hitze stickig. Aber als er sein Instrument testete, Teil um Teil, empfand er dies als reinigend wie eine kühle Dusche nach einem langen Geländelauf. Das Instrument oder Werkzeug war sein Körper, und er konzentrierte sich fest auf diese Vorstellung. Er brachte zwei Stunden mit elastischen Aufwärmübungen und sanften Gymnastikbewegungen zu, bis er schließlich wütend auf den abgewetzten Sandsack einschlug, der in einer Ecke des Turnsaals hing.
    Nachdem er geduscht hatte, trug er die ihm zugeteilte Bettwäsche in einen völlig leeren Schlafsaal hinauf, in dem die Eisenbetten in Reih und Glied in den ausgetretenen Holzfußboden geschraubt waren und in dem es nach Wehrdienst roch.
    Er breitete seine Bettwäsche auf einem der Betten aus. Das Leinen war grob, und die Matratze war mit Stroh gestopft. Er genoß die einfachen Düfte und wußte, daß er lange und traumlos schlafen würde.

9
    Die Sondersitzung der Parteiführer war für 10.00 Uhr im Reichstagsgebäude anberaumt worden. Der Ministerpräsident war wie gewohnt Vorsitzender, und die Vertreterin der Umweltpartei kam wie gewohnt zu spät.
    Diesmal hatte der Ministerpräsident es vorhergesehen und unterhielt sich mit den Anwesenden ein wenig über einige Erscheinungen des Wahlkampfs, die verfluchte Sensationsgier der Massenmedien, die überall »Affären« witterten, welche sich bislang immerhin einigermaßen gerecht zwischen Opposition und Regierungspartei verteilt hatten. Wie sich zeigte, hatte man auf beiden Seiten der Blockgrenze etwa gleich viele Steuerhinterzieher und Fälle von Trunkenheit am Steuer.
    Samuel Ulfsson war es unbehaglich zumute, als hätte er in etwas Einblick genommen, womit er nichts zu tun hatte. Das war für den Chef eines Nachrichtendiensts gewiß ein ungewöhnliches Gefühlserlebnis. Aber dieser kameradschaftliche, kollegiale Ton der Parteiführer untereinander stimmte nicht mit seinen Vorstellungen von dem demokratischen Spiel überein. Allen schien das Problem gemeinsam zu sein, daß die Entführungsaffäre in Italien ständig andere Nachrichten überschattete, so daß ihre Wahlreden, Schachzüge und Angriffe gegeneinander ständig zu Nachrichten von zweitrangiger Bedeutung gerieten. Der Ministerpräsident witzelte sogar darüber und sagte, wenn diese Geschichte, wie es ja aussehe, bald zu Ende sei, hätten alle Anwesenden Anlaß, deswegen dankbar zu sein.
    »Alle« bedeutete offenbar alle Politiker.
    Schließlich erschien auch die Vertreterin der Umweltpartei, und damit konnte das Treffen offiziell beginnen.
    »So«, sagte der Ministerpräsident, dessen Stimme sich plötzlich genauso heiser und metallisch anhörte wie bei offiziellen Anlässen, »damit heiße ich euch alle willkommen. Laßt mich zunächst nur sagen, daß wir diese Sache erledigen können, ohne daß unsere eventuellen Vorräte an Wahlkampfadrenalin unser Urteil trüben.«
    Er zögerte, als er seine Metapher nachträglich unter die Lupe nahm. Er fand sie - wie es schien - weniger gelungen.
    »Wie auch immer«, fuhr er etwas

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