Unternehmen Vendetta
noch einmal den Mund mit der Serviette ab, bevor er antwortete.
»Falls Sie den Klauen des Staatsanwalts entkommen, was ich nicht garantieren kann, Comandante, treffen wir uns unmittelbar darauf. Wir sollen ja künftig für Ihr Nachtquartier sorgen, wenn die Staatsanwaltschaft es nicht tut. Auf dem Territorium Don Tommasos befinden sich zwei Heroinraffinerien. Die eine wird von seiner Familie betrieben, die andere von dieser Palermo-Bande.«
»Von Gaetano Mazzaras Mob? Den Leuten, die angeblich Krieg gegeneinander führen, es in Wahrheit aber nicht tun?«
»Genau denen. Sie sollten selbst am besten wissen, daß sie nicht Krieg gegeneinander führen, können da aber nicht sicher sein. Das kann man auf Sizilien nie, denn hier ist der Verrat zu Hause. Jede der beiden Gruppen hat dort oben eine Raffinerie, und beide haben gemeinsame Handelswege für den Import der Rohstoffe und den Export des veredelten Produkts. Das sind die beiden Stellen, gegen die wir zuschlagen wollten, falls die Nachricht von unseren Vorbereitungen uns nicht schon vorauseilt.«
»Doch statt dessen geben Sie mir Karte und Kompaß?«
»Bedauerlicherweise ja.«
»Wenn Don Tommaso morgen nicht nachgibt, werden wir sehr hart gegen seine Finanzen zuschlagen können. Dann muß er nachgeben. Business first. Wir erhalten unsere Schweden, und Sie erhalten eine definitive Lösung bestimmter Raffineriefragen«, faßte Carl zusammen, der sich plötzlich sehr aufgeräumt fühlte, als hätte er zuviel Wein getrunken.
Carl bezahlte trotz der heftigen Proteste Da Piemontes mehr oder weniger mit Gewalt. Dann traten sie auf die Treppe des Restaurants hinaus und wurden sofort von nervösen Wachposten umringt, die ihre Automatikwaffen in alle Himmelsrichtungen hielten, während sie die Hausdächer und die Nachbarschaft der Straße im Auge behielten. Die beiden Männer blieben auf der Treppe stehen, um wie zum Trotz sichtbar zu sein, bevor sie in die Wagen stiegen.
Carl wurde direkt zum Justizpalast gefahren.
»Ich hoffe, wir sehen uns. Der Offizier und der Krieger in mir hoffen, daß wir uns bald wiedersehen«, sagte Da Piemonte zum Abschied vom Rücksitz des schwarzen Wagens und streckte die Hand aus.
»Aber«, fügte er hinzu, »der Polizist in mir hofft, daß der Voruntersuchungsrichter Sie in die Klauen bekommt, damit ich vor Rom die Hände reinwaschen kann. Sie haben nichts dagegen, daß ich aufrichtig bin?«
»Durchaus nicht«, lächelte Carl. »Sie sind wirklich ein Mann, den man respektieren kann, Oberst«, sagte er, gab Da Piemonte die Hand und stieg aus, um die wenigen Meter bis zur Hintertür des Justizpalasts eskortiert zu werden.
Der Bau sah aus wie eine Festung. Sämtliche Fenster des Erdgeschosses waren mit engen Stahlgittern versehen. Der Eingang war schmal und sah mit den gepanzerten Glasscheiben und den kräftigen, blau gestrichenen Stahlbalken aus wie der Eingang zu einem Gefängnis. Über dem Eingang entdeckte Carl in hohen, langgezogenen Versalien das Wort GIUSTIZIA.
Man konnte die Schleuse nur einzeln passieren, und es war deutlich zu erkennen, welche Art von Gegenständen man hier abzuliefern hatte. Carl zog seine Pistole und legte sie in eine Stahlkassette, bevor er die Schleuse mit Metalldetektoren passierte. Sein Begleiter war jedoch nicht mehr da, und er hatte einige Mühe, seinen Waffenbesitz zu erklären, doch als er seine Genehmigung des Verteidigungsministeriums in Rom hervorkramte, besserte sich seine Lage ein wenig. Nach kurzer Diskussion, von der er kein Wort verstand, erhielt er eine Quittung für seine Waffe. Einer der Carabinieri gab ihm ein Zeichen mitzukommen.
Der untere Teil des Gebäudes bestand aus mehr als zehn Meter hohen großen Hallen. Alle Flächen waren aus Stein, Granit oder Marmor. Die Architektur war darauf angelegt, den Menschen kleiner und die staatliche Macht größer zu machen. Es war unmöglich, nicht an die Zeit der Faschisten erinnert zu werden. Carl fühlte sich wie in einem gewaltigen Aquarium.
Der Beamte führte ihn in den zweiten Stock und durch einen langen, hohen Korridor. Auch hier wieder Marmor und Granit, keine Möbel, nur glatte steinerne Flächen.
Das Amtszimmer von Untersuchungsrichter Giovanni Canella war dunkel, da die Fenstervorhänge zugezogen waren. Der Raum war vier mal fünf Meter groß und sehr sparsam möbliert: ein großer Schreibtisch mit glatter Tischplatte bis auf einen kleinen Stapel mit Dokumenten, zwei Reihen Aktenschränke an den Wänden und zwei kleine Sessel vor dem
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