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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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liberales und motivierendes Regierungsmodell angeht.
    Zum anderen: Ludwig hat auf dem Weg zur absoluten Herrschaft geniale Vorarbeiter. Kardinal Richelieu (1585–1642) ist ein passionierter politischer Schachspieler. Als erster Minister Frankreichs schafft er es, durch geschickte Taktik den Einfluss des Adels immer mehr zurückzudrängen. Den Hugenotten, also den französischen Protestanten, die aufgrund ihrer hugenottes , ihrer eigentümlichen Pumphosen, so genannt werden, nimmt er die religiöse Bekenntnisfreiheit, wie sie ihnen im Religionsfrieden von Nantes 1598zugestanden worden war. Zehntausende von Hugenotten flüchten ins Ausland und werden als geschickte Handwerker gerne genommen. Aufstände einzelner widerständiger Adeliger werden brutal niedergeworfen. Das mittelalterliche Mitspracherecht der Ständevertretungen wird kurzerhand aufgehoben.
    Und Richelieus Nachfolger Kardinal Mazarin (1602–1661) perfektioniert als Vormund und Berater des jungen Ludwig noch weiter den Ausbau der königlichen Macht gegen den schwindenden Einfluss der drei Stände, in die man das Staatswesen traditionell einteilt: Adel, Geistlichkeit und Dritter Stand, d. h. das Volk, das von diesem Zeitpunkt an noch genau 180 Jahre braucht, um endlich »Liberté, égalité, fraternité« (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) zu rufen.
    Zu dieser Zeit besteht das Volk noch zu neunzig Prozent aus Bauern, von denen der Schriftsteller La Bruyère berichtet, dass sie mit der Erde eins seien, »die sie mit unermüdlicher Hartnäckigkeit durchwühlen: schwarz, fahl und sonnenverbrannt. Und nachts ziehen sie sich in ihre Schlupfwinkel zurück, wo sie ihr Leben von schwarzem Brot, Wasser und Wurzeln fristen …«.
    Die einen leben im Schatten, die anderen leben im Licht. Besser gesagt: im Glanz des »Sonnenkönigs« , als den sich Ludwig XIV. gerne bezeichnen lässt – seit genau dem Tage, da er als lieblich hergerichteter 14-Jähriger in dem »Ballett der Nacht« in der Rolle des Sonnengottes Apoll vor seinem begeisterten Hofstaat über die Versailler Bühne tänzelt. Das ist ganz bestimmt ein besonderer Geschmackstest für Gourmets gewesen, an dem wir als Zeitreisende liebend gern leibhaftig teilgenommen hätten.



27. Ein Mann, ein Staat
    W as für ein Bild! Was für ein Mannsbild! Was für ein Bild von einem Mann! Und welch eine Perfektion kultureller Verfeinerung. Allein schon für dieses Portrait des Malers Hyacinthe Rigaud lohnt Ihre Reise nach Versailles, lieber Leser. L’état c’est moi in vollendeter Gestalt. So sieht ein wirklich prachtvoller, fleischgewordener Staat aus.
    Und dieser Staat zeigt selbstbewusst Bein. Weißbestrumpftes Bein, das den Einblick fast bis in den Schritt erlaubt, ein Zeichen höchsten Adels. Die blutroten Haken an den Schuhen sind übrigens keineswegs bloß eine Art modischer dernier cri des 17. Jahrhunderts. Sie sind echte Rangabzeichen genau wie alles andere, was Ludwig schmückt: das Prunkschwert, der hermelingefütterte Herrschermantel, mit dem Blau und den Lilien der Bourbonen, das Königsszepter und die lässig beiseitegelegte französische Königskrone, so als sei es mit ihr allein noch lange nicht getan. Und dann noch die ungeheure Haarpracht, die uns offenbar so etwas wie Vitalität und Potenz des Trägers suggeriert, wenn wir den allerneuesten Ergebnissen der Partnerforschung Glauben schenken.
    Bei dieser Präsentation wird alles aufgefahren, was uns einen Menschen zum Idol macht. Alle sind angezogen von diesem Super-
Magneten, alle wollen diese Installation überirdischer Kultur leibhaftig sehen, ja sie vielleicht sogar irgendwann einmal berühren dürfen. Und wie bei einem originalen Kunstwerk, für das man Millionen zu zahlen bereit ist, anstatt sich mit einer wenige Euro teuren Reproduktion zu begnügen, so ist es auch mit diesem Ludwig: Die tatsächliche Begegnung mit dem Original verheißt eine Art Funkensprung des Göttlichen. Dieser Staat als Mensch garantiert seinen Untertanen bei jedem seiner Auftritte eine wohlige Gänsehaut und das physische Erlebnis eines Staates. Und wie sehnsüchtig selbst heute noch nach diesem Glück der imperialen Anschauung gestrebt wird, beweisen uns die hohen Einschaltquoten bei königlichen Hochzeiten.
    Solche Performance ist keineswegs eitel. Sie ist politisches Programm. Mit so was macht man erfolgreich

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