Unterwegs in der Weltgeschichte
berühmte Bill of Rights , die feierliche Formulierung der Bürgerrechte von 1689, dem Jahr nach der Inthronisation Wilhelms, das endgültige Aus für alle absolutistischen Bestrebungen. Der Inselstaat wurde damit zum Vorbild für alle freiheitlich gesinnten Europäer â und Cromwells durchaus blutige Vorarbeit hatte diese Entwicklung erst ermöglicht.
Seine zentrale Ãberzeugung war geprägt durch das urchristliche Gemeinschaftsideal, wie es in der Apostelgeschichte im Neuen Testament beschrieben wird. Politisch übersetzt klang aus dem Munde Cromwells diese Bibeldeutung im Jahre 1647 ungemein modern: »Die höchste Gewalt liegt beim Volk. Ihm gehört sie vom Ursprung an. Und vom Volk wird sie auf seine Vertreter übertragen.« So ähnlich, wenn auch viel kürzer, haben es noch vor ein paar Jahrzehnten die DDR -Bürger vor dem Mauerfall skandiert: » Wir sind das Volk!«
Wie gegensätzlich klingt da doch das Wort, das der Sonnenkönig Ludwig XIV. in Frankreich gesprochen haben soll: »Lâétat câest moi!« â Der Staat â das bin ich! Und wenn er das auch im wirklichen Leben nicht genau so gesagt hat, wie man es ihm später in den Mund legte, so hat er es doch auf jeden Fall so gemeint. Denn sein Recht auf absolute Herrschaft war in seinen Augen gottgewollt, und das Gottesgnadentum seines Regiments berechtigte ihn zu knallharten Schlussfolgerungen: »Es ist der Wille Gottes, dass man, wenn man als Untertan geboren wird, dem Herrscher willenlos zu gehorchen hat.« Basta! Die Anwesenheit Gottes in der Politik mündet eben nicht selten in hemmungslose Aufwertung der eigenen Person.
Aber ganz im Gegensatz zu England funktionierte im Frankreich des 17. Jahrhunderts dieser Absolutismus ziemlich problemlos. Und das lag an zweierlei.
Zum einen daran, dass sich Frankreich im Jahre 1643, als der viereinhalbjährige Ludwig auf den prächtigsten Thron Europas klettert, zum mächtigsten Staat seiner Zeit aufschwingt. Befriedung und relativer Wohlstand sind eingekehrt nach den Wirren der Hugenottenkämpfe, den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten. Deutschland als mögliche konkurrierende Macht existiert zu diesem Zeitpunkt noch nicht, sondern besteht aus einem Konglomerat Hunderter Ministaaten, verheert durch den DreiÃigjährigen Krieg.
Brandenburg ist noch nicht das spätere PreuÃen. In Italien gibt es seit römischen Zeiten keinen einheitlichen Herrschaftsraum mehr, und der Kirchenstaat ist intensiv mit sich selbst, den notwendigen Reformen und dem Schock der konfessionellen Spaltung beschäftigt. Ludwig wird zeitlebens sich selbst als Oberhaupt der französischen Katholiken verstehen und es nie zulassen, dass seine »gallikanische Kirche« den Einflüssen des politisch schwachen Papstes unterliegt.
England geht seinen eigenen »puritanischen« Inselweg, gänzlich verschont von den Gräueln des DreiÃigjährigen Krieges, aus denen Frankreich als politischer Profiteur hervorgegangen ist.
Die hinterwäldlerischen Russen haben gerade Iwan den Schrecklichen hinter sich gebracht und vegetieren nun geknechtet und leibeigen am unteren Ende der Kulturskala. Erst ein halbes Jahrhundert später wird der Modernisierer Zar Peter der GroÃe kommen und durch die Ãbernahme westlicher Technik und Wissenschaft versuchen, den europäischen Standard inklusive GroÃmachtstraum auch für Russland zu verwirklichen.
Die weltpolitische Bedeutung der österreichischen Habsburger ist mit dem schwindenden Einfluss auf die deutschen Gebiete nach dem DreiÃigjährigen Krieg und dem Westfälischen Frieden von 1648 deutlich zurückgestutzt, und Spanien hat mit den abtrünnigen Niederlanden genug Probleme und ist endgültig auf dem absteigenden Ast, als es 1659 im Pyrenäenfrieden die Ãbermacht Frankreichs formell anerkennen muss.
Bleibt noch Holland, der Zusammenschluss der fortschrittlichen, protestantischen Niederländer, die zwar dem Zwanzig-Millionen-Volk der Franzosen mit seinem mächtigen stehenden Heer (dem ersten in Europa!) noch nicht gleichwertig Paroli bieten können, aber auf dem Sprung sind, mit freiheitlicher Kreativität und viel bürgerlichem Geschäftssinn zur überseeischen Welthandelsmacht aufzusteigen. Holland wird zur gröÃten Herausforderung des absolutistischen Frankreichs werden, auch und gerade was sein alternatives,
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