Unterwegs in der Weltgeschichte
sagen, Sie kennen die Geschichte schon? Jedenfalls so in etwa, nur ohne Mord? Von Ihrem Vorgesetzten, Amtsdirektor, Bekannten? Von einem bekannten Politiker unserer Zeit? Nehmen Sie statt Caesar John F. Kennedy oder einen anderen groÃen Namen der jüngeren Vergangenheit. Schon passt die Sache. Das Rad der Geschichte dreht sich, aber es kommt dabei nur sehr langsam voran. Paradoxerweise lohnt sich gerade deswegen die Betrachtung. Man kann aus der Betrachtung der Geschichte durchaus Nützliches für die Gegenwart lernen. Zum Beispiel die Grundmuster politischen Handelns.
Wenn man wieder einmal eine nervtötende Politikerrede gehört hat, kann man sich immer noch an den altrömischen Politiker Cato erinnern, der jede, und wirklich jede, seiner zahllosen öffentlichen Reden mit dem Satz abschloss: »Ceterum censeo Carthaginem esse delendam«, also: »Im Ãbrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.« Das tat er so lange, bis Rom, vollkommen entnervt von diesem unerträglichen Dauerfeuer, wirklich Karthago bis auf die Grundmauern niederbrannte und alle Karthager versklavte. Es hatte in dem Zusammenhang noch andere, weiter reichende Gründe für diesen verheerenden Kriegszug gegeben, aber Sie können sicher sein, dass Cato selbst sein rednerisches Talent als alleinige Ursache ausmachte. Catos endlose, immer wiederkehrende Formel ist sozusagen ein Urahn allen unerträglichen Politikersprechs und ein Beweis dafür, wie viel man erreichen kann, wenn man sich einfach immer nur wiederholt.
Ach diese Anführer! Alexander, Caesar, Napoleon, wie sie alle heiÃen. Alle wollen irgendwie nach oben. Und wenn sie dort erst mal sind, herrscht im besten Fall Ratlosigkeit. Das stärkste Gift der Welt, schrieb der englische Dichter William Blake einmal, wurde aus Caesars Lorbeerkranz destilliert. Alle, die nach ihm kamen, wollten davon kosten, meistens auf Rechnung ihrer näheren und weiteren Umwelt. Man muss es einfach akzeptieren: Die Mächtigen unterscheiden sich nicht so wesentlich von uns Normalmenschen, wie man das gerne glauben mag. Gut, manche sind gerissener, skrupelloser, böser, einige wenige vielleicht auch klüger. Sie haben tendenziell bessere Informationsquellen, was aber noch nicht heiÃt, dass sie aus diesen Brunnen der Weisheit auch schöpfen. Wir sind, wenn man mal ganz ehrlich ist, auch nicht besser, haben aber oft weniger Gelegenheit, Schaden anzurichten. Das ist ein Vorteil, zugegeben, aber an sich noch kein Verdienst. Wer oben auf dem Deck des Flaggschiffs steht, mitten in einer Seeschlacht, und den Admiralshut trägt, der muss auch als Admiral handeln. Der trägt damit auch das Risiko des Irrtums und des Scheiterns. Dummerweise hat das oft verheerende Konsequenzen.
Trotzdem sollte man aus der Geschichte nicht nur das Misstrauen gegenüber allen Mächtigen, sondern durchaus auch Verständnis für ihre Probleme lernen. Wenn man sich einmal in die Position des Admirals Horatio Nelson versetzt, der im Herbst 1805 vor dem Kap Trafalgar inmitten unerträglichen Lärms vom Dauerfeuer mehrerer hundert Kanonen auf Deck seines passend benannten Schiffs »Victory« steht, ungeschützt im Kugelhagel, inmitten von Pulverdampfschwaden, tödlich umherfliegenden Holzsplittern, umgeben von Toten und schreienden Verwundeten, mit seinem gut sichtbaren Hut eine lebende Zielscheibe, dann gewinnt man schon einen gewissen Respekt für die Leistung dieses Menschen. Mitten im Chaos gibt er noch ganz klare, kontrollierte Anweisungen, die eine Armada von tödlich bewaffneten Segelkriegsschiffen zu einem epochalen Sieg für das British Empire lenken.
Die meisten von uns wären längst kreischend über Bord gehüpft, aber nein, dieser kleine, schmächtige Mann, kriegsverwundet und früh gealtert, mit nur noch einem Arm und einem Auge, er steht da, gewinnt die Schlacht für England und lässt sich zur Belohnung von einem feindlichen Scharfschützen totschieÃen. Man mag das blutige Verblendung nennen, aber eine ungewöhnliche Leistung ist es doch. Angesichts solcher Heldensagen sollte man allerdings nicht vergessen, dass die meisten edlen Taten der Menschheitsgeschichte niemals aufgeschrieben wurden. Von den Matrosen auf Nelsons Schiffen ist beispielsweise deutlich weniger die Rede. Und den vielen Frauen der Geschichte hat ohnehin nie jemand ein Denkmal gesetzt. Haben Sie einmal gezählt, wie viele Statuen
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