Unterwegs in der Weltgeschichte
Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet im absolutistischen Frankreich die Idee einer vernünftigen Marktwirtschaft ihren Anfang genommen hat.
Jean-Baptiste Colbert (1619â1683) heiÃt der Mann, der die Theorie des Merkantilismus entwickelt. Er erkennt mit klarem kaufmännischen Sachverstand, dass das ökonomische Glück eines Staates hauptsächlich von einem Faktum abhängt: Ein Staat muss einfach mehr ausführen, als er einführt. Diese Vorgabe, der heutzutage unsere deutschen Politiker immer noch zielstrebig nacheifern, während andere Staaten, wie etwa die USA , sie regelrecht in den Wind schlagen, soll laut Colbert der ultimative Schlüssel zu mehr Wohlstand sein.
Die erste groÃe ökonomische Erkenntnis ist keine Milchmädchenrechnung: »Wer durch seiner Hände Arbeit mehr Werte schafft, als er selbst verbraucht, wird über kurz oder lang in wachsendem Wohlstand leben«, so lehrt Colbert. Und wir nicken eifrig.
Die Wirtschaftspolitik unter Ludwig folgt zunächst auch erfolgreich diesem schlüssigen Konzept. Der Staat nimmt massiv Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung. Um verkaufbare Produkte im eigenen Lande herzustellen, bedarf es in erster Linie vieler Rohstoffe. Die ersten Kolonien entstehen jetzt, in Nordamerika, Vorderindien, Indochina, Madagaskar. Eine eigene Handelsflotte läuft vom Stapel, eine mächtige Kriegsflotte entsteht zu deren Schutz. Zum ersten Mal wird ein regelrechter Staatshaushalt aufgestellt, und man folgt dem Finanzplan Colberts, dem es tatsächlich gelingt, einen Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben zu erwirtschaften. Warum aber dieses ebenso clevere wie zunächst auch erfolgreiche Konzept am Ende doch nicht aufgeht, das ist ein Lehrstück in politischer Ãkonomie, das uns besonders heute interessieren sollte.
Es ist ein verhängnisvoller Automatismus, der zuletzt tatsächlich in die soziale und wirtschaftliche Katastrophe führt. Um im Ausland mehr Waren zu verkaufen, muss man die Preise niedrig halten. Gewiss, die Kolonien mit ihren Rohstoffen kann man zu diesem Zwecke ausbeuten, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Aber konkurrenzfähige Erzeugerpreise bedeuten auch: Die Löhne der heimischen Arbeiter müssen geringfügig bleiben. Null Prozent Lohnsteigerung! Damit sich die Arbeiter aber bei niedrigen Löhnen mit ausreichenden Nahrungsmitteln versorgen können, muss man die Preise für Agrarprodukte auf geringem Niveau einfrieren. Der Binnenhandel ist damit preisstabil, aber undynamisch. Die Deckelung der Lebenshaltungskosten hat zur Folge, dass die Agrarproduzenten, also die Bauern und damit die groÃe Mehrheit des Volkes, vom Aufschwung des Exports in keiner Weise profitieren. Sie dürfen von Staats wegen nur niedrige Erzeugerpreise verlangen, die teilweise unter den Produktionskosten liegen. Bei ihnen und bei den Verbrauchern kommt der Aufschwung nicht an. Die Bauern verarmen, nur die reichen Exporteure werden noch reicher. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich dramatisch, weil die Exportgewinne in nur wenige Taschen flieÃen. Und dann vernichten noch Ludwigs Kriege riesige Summen des Volksvermögens, insbesondere der zwölf Jahre währende Konflikt um die spanische Erbfolge. Denn Soldaten und Waffen verbrauchen reichlich Wirtschaftsgüter, ohne neue zu schaffen.
Mit der Einführung von Papiergeld versucht man den Staatsbankrott gerade noch abzuwenden â und scheitert mit diesem Dünnbrettbohrer-Konjunkturpaket. Frankreich ist schlieÃlich bankrott, zumal da der reiche Adel immer noch keine Steuern zahlen will. Angesichts einer Finanzkrise, die den überwiegenden Teil der Bevölkerung ins Elend stöÃt, verzichtet der Adel auf kein einziges seiner Privilegien. 74 Jahre nach Ludwigs Tod wird er dafür eine blutige Quittung bekommen.
28. König sein ist schwer â »erster Diener« noch viel mehr
D ass er sein Schloss Sans souci , »Ohne Sorge«, nannte, war reines Wunschdenken. Er, der nur ungern irgendetwas aus der Hand gab und sogar die Entwürfe für sein Schloss selbst zeichnete, hat nur wenige Tage seines Lebens ohne Sorgen zugebracht: Friedrich der GroÃe (1712â1786). Daran muss man unweigerlich denken, wenn man heute durch die hübsch restaurierten Barockräume des Schlosses Sanssouci bei Potsdam schlendert.
Als Jugendlicher war er nur knapp der Hinrichtung durch den eigenen Vater entgangen.
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