Unterwegs in der Weltgeschichte
Mündung.
Extrem das Klima: acht Monate Sommer von Mitte März bis Mitte November mit den höchsten Hitzegraden der Erde, kaum zwei Monate Winter, streng, oft mit fuÃhohem Schnee, zwischen Mai und September kein Tropfen Regen, gewaltige Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Aber zum Ausgleich die periodische Ãberschwemmung, die sich der Frühjahrsschneeschmelze in den Bergen Armeniens verdankt, beginnend im März, was den Tigris, im April, was den Zwilling Euphrat betrifft, mit Höhepunkten im Juni und Juli, wenn das Land sich von einer glühenden Hölle zuerst in eine riesige Wasserfläche und dann in ein Abbild des Gartens Eden verwandelte.
Die Bewohner Mesopotamiens, insbesondere die Menschen im unteren Drittel des Flusspaares, das â analog zum Nildelta â den Hauptgewinn bei der Schmelzwasserverteilung erzielte, waren nicht nur Ingenieure, sondern wahre Künstler bei der Nutzung der nassen Fracht aus den Schneegebirgen. Dämme, Bewässerungs- und Berieselungsanlagen, Stauseen, Kanalsysteme, die sich wie Adern verzweigten, Abflussgräben, die die sumpfigen Niederungen anzapften, Schöpfräder, die das Wasser in die höher gelegenen Felder füllten: Mesopotamien und speziell das zum Mündungsgebiet sich erstreckende Babylonien hatten sich in eine riesige Oase, eine fruchtbare Getreide- und Gartenlandschaft verwandelt.
Und auch ein dem segenstiftenden Element angemessenes Fahrzeug wurde erfolgreich konstruiert. Die Guffa , ein korbähnliches Fortbewegungsmittel, aus den Stielen von Palmblättern geflochten und mit Erdpech abgedichtet, kam dann zum Einsatz, wenn das Land sich auf dem Höhepunkt der Schneeschmelze in eine riesige Wasserfläche verwandelt hatte. Aber auch auf dem Rücken schwimmender Pferde konnte man sich erfolgreich durch das Wasserlabyrinth navigieren. Als drittes mobiles Hilfsmittel wurden nach alter Tradition aufgeblasene Schläuche aus Hammelhäuten verwendet. Wie ein Alabasterrelief aus dem neunten vorchristlichen Jahrhundert zeigt, wurde diese Technik auch militärisch genutzt, um bei Flussüberquerungen Mannschaft und Ausrüstung auf die andere Seite zu bringen; nur die Kriegswagen wurden auf Boote verfrachtet.
Wenn es einen Preis für Völker gäbe, die sich zeitweise in Amphibien verwandeln können â die Menschen im unteren Zweistromland hätten ihn verdient.
Begonnen hatte alles, fast alles mit den Sumerern. Glaubt man ihren Priestern, die sich gern auch als Geschichtsforscher gerierten und das Leben ihrer Könige in ausufernden Listen festhielten, so reicht die sumerische Kultur 432 000 Jahre zurück. Bei realistischer Einschätzung entstand sie gegen Ende des vierten Jahrtausends v. Chr. im südöstlichen Teil Mesopotamiens, also jener historischen Region im heutigen Irak, die von den mächtigen Unterarmen der Zwillingsflüsse umgrenzt wird und im Anklang an die um 1800 v. Chr. erbaute, von den Griechen »Babylon« getaufte Hauptstadt seither als Babylonien bezeichnet wird.
Die Sumerer, das älteste Kulturvolk des Orients, erhielten ihren Namen von ihren Nachfolgern, den Akkadern. Diese tauften sie sumeru .
Schon die frühen Zentren der Sumerer â Städte wie Ur, Uruk, Nippur oder Lagasch in der Nähe des Persischen Golfs â fassten bis zu 50 000 Einwohner. Die hoch aufragenden Stufentempel, die sie ihren Göttern widmeten und die als Zikkurate (akkad. = Götterberge) bekannt wurden, dürften die späteren Fantasien um den Turmbau zu Babel und die entsprechende Passage im Alten Testament angeregt haben. Vor allem aber dienten sie der Beobachtung der Himmelskörper.
Die sumerische Metropole Eridu am Persischen Golf gilt als eine der ersten Städte der Weltgeschichte. Ihre Vorstufen reichen bis ins sechste Jahrtausend v. Chr. zurück. Nach 2000 v. Chr. wurde die Hafenstadt wegen Versandung der Lagune aufgegeben.
Ab 3500 v. Chr. entwickelte sich Uruk, Hauptkultort der sumerischen Himmelsgöttin Inanna und Sitz des sagenhaften Herrschers Gilgamesch, zur ersten GroÃstadt der Welt. In der Bibel kommt sie als Erech vor. Im Laufe des dritten Jahrtausends gewinnt Ur an Bedeutung und wird mehrfach Hauptstadt Babyloniens. Nach biblischer Ãberlieferung war Ur die Heimat Abrahams. Die Königsgräber von Ur mit kostbaren Beigaben an Metall- und Edelsteinarbeiten sind in den 1920er- und 30er-Jahren freigelegt worden.
Die berühmteste
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