Unterwegs in der Weltgeschichte
Verantwortlichen vor ein Weltkriegsgericht zu bringen, fanden und finden sich Verteidiger.
Die Sache ist eben alles andere als eindeutig. Niemals haben sich die USA bei den zivilen Opfern des Angriffs auch nur entschuldigt. US -Politiker und Abschreckungstheoretiker gehen bis heute offiziell davon aus, dass die zwei Atombomben Menschenleben »gerettet« haben, indem sie es waren, die das schnelle Kriegsende mit dem kampfbesessenen Japan herbeiführten. Bereits nach dem Erfolg des Trinity -Tests, des ersten Atombombenversuchs in der Wüste Nevadas, hatte der englische Premier Winston Churchill angesichts des Albtraums bevorstehender, extrem verlustreicher Landschlachten gegen die zu allem entschlossenen Japaner erleichtert notiert: »Jetzt ist mit einem Mal dieser Alb vorbei, und an seine Stelle tritt die helle und tröstliche Aussicht, ein oder zwei zerschmetternde Schläge könnten den Krieg beenden.«
Statt der erwarteten sieben bis acht Millionen Opfer, mit denen man nach den ersten schweren Inselkämpfen und den traumatisierenden Erfahrungen mit den selbstmörderischen Kamikaze-Fliegern rechnete, hatte dieser Krieg schlieÃlich »nur« eine halbe Million Opfer gekostet. So glaubten und glauben heute viele, nicht nur in den USA , von einem »Verdienst« der furchtbarsten Waffe aller Zeiten sprechen zu dürfen.
Am 17. Juni 1967 versammeln sich begeisterte Chinesen vor einem gewaltigen Atompilz und recken euphorisch ihre Hände mit Mao-Bibeln in den Himmel. Sie bejubeln die erste geglückte chinesische Wasserstoffbomben-Explosion. Gleiches geschah Jahrzehnte später auch in Indien und Pakistan. Die Wasserstoffbombe galt und gilt vielen als Fortschritts-Symbol für nationale Kraft und Stärke. Aktuell bastelt das Terrorregime des Iran an einer praktischen Umsetzung dieses perversen Fortschrittsdenkens.
Das revolutionäre Rot-China, das Anfang der Sechzigerjahre mit gut 800 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde war, rechnete bereits damals bei der Zahl von Kriegsopfern nicht mehr in Hunderten wie bei Schlachten in antiken Zeiten; auch nicht mehr in Tausenden wie im Mittelalter oder in Zehntausenden wie in der frühen Neuzeit. Nein, jetzt waren es Millionen und gar Milliarden von Menschen, die zu kriegspolitischer Manövriermasse erklärt wurden. Wie hatte der »groÃe Vorsitzende« Mao Tse-tung seinen Volksgenossen seinerzeit geradezu tröstlich vorgerechnet: »Kann man denn voraussehen, wie viele Menschenopfer ein künftiger Krieg fordern würde? Möglicherweise wird es ein Drittel von 2,7 Milliarden Erdbewohnern sein, also nur 900 Millionen Menschen. Falls die Hälfte der Menschheit vernichtet wird, bliebe ja noch eine Hälfte übrig, dafür aber würde der Imperialismus vollständig vernichtet.«
Absurd erscheinen solche Bilanzierungen von ideologisch vernagelten Diktatoren im 20. Jahrhundert, dem aufgeklärtesten und zugleich blutigsten und auch lebensgefährlichsten Jahrhundert der Menschheitsgeschichte. Ãhnliche Visionen wie Mao hat auch Stalin verfolgt. Sogar ein kleiner Insel-Revolutionär wie Fidel Castro hatte noch in den Sechzigerjahren Weltrevolutionsfantasien, für die er bereit war, Atomwaffen wirklich einzusetzen, wenn ihm die Sowjets nur den Finger am Abzug dieser Massenmordwaffen gelassen hätten. Die Geschichtsschreiber der Zukunft werden in ihrer Rückschau als besonderes Kennzeichen des 20. Jahrhunderts herausheben, dass es jenes Jahrhundert war, in dem einzelne Machthaber zum ersten Mal unter Einsatz all ihrer technischen Möglichkeiten bereit waren, für ihre politischen Utopien mindestens die halbe Menschheit zu opfern. Ideologien reifen in dieser Epoche der technischen Rationalität besser heran als schlichte menschliche Gefühle. Das ist vielleicht die dunkelste Frucht der Aufklärung, die dazu neigt, sich selbst zu überschätzen. Der Philosoph Jürgen Habermas hat einmal zu Recht darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass die Aufklärung allmählich über sich selbst aufgeklärt werde.
Der furchtbarste und radikalste unter den ehrgeizigen Menschheitsschlächtern des 20. Jahrhunderts aber war der Sohn eines gewissen Alois Schicklgruber aus dem niederösterreichischen Döllersheim, der sich in »Hitler« umbenannt hatte und in dritter Ehe mit seiner 23 Jahre jüngeren Cousine Klara Pölzl sein fünftes Kind zeugte: Adolf
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