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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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ein, als er genug vom Erzählen hatte – und er war ein guter Erzähler.
    Wir hielten irgendwo, um eine Kleinigkeit zu essen. Der Cowboy ging fort, um einen Ersatzreifen flicken zu lassen, und Eddie und ich setzten uns in eine Art selbstgebastelter Imbissbude. Ich hörte ein mächtiges Lachen, das mächtigste Lachen der Welt, und da kam auch schon ein ungehobelter kerniger Nebraska-Farmer mit einer Horde von anderen Typen in den Imbiss; man hörte ihr heiseres Bellen weit über die Prärie, über die ganze graue Welt dieses Tages. Alle anderen stimmten in sein Lachen ein. Er war der sorgloseste Typ der Welt und hatte ein riesiges Herz für jeden. Ich sagte mir: Wumm, hör zu, wie der Mann lacht. Das ist der Westen, hier bin ich im Westen. Dröhnend platzte er in die Imbissbude, brüllte nach Ma, und sie machte ihm die köstlichste Kirschenpastete von ganz Nebraska, und ich bekam auch was ab, mit einem Berg Eiskrem obendrauf. «Ma, mach mal schnell irgendwas zu essen, ehe ich anfange, mich selber aufzufressen, roh oder so was Blödes.» Er warf sich auf einen Hocker und machte ha ha ha ha. «Und schmeiß eine Handvoll Bohnen rein.» Das war der Geist des Westens, der hier neben mir saß. Am liebsten hätte ich alles über sein ganzes rauhes Leben erfahren und gewusst, was zum Teufel er all die Jahre gemacht hatte, außer so zu lachen und zu brüllen. Yippieee, jubelte meine Seele, und dann kam der Cowboy zurück und wir fuhren weiter nach Grand Island.
    Im Handumdrehen waren wir da. Er fuhr weiter, seine Frau zu holen und seinem Schicksal entgegen, was immer ihn erwarten mochte, und Eddie und ich stellten uns wieder an die Straße. Ein paar junge Burschen nahmen uns mit – Halbstarke, Teenager, Farmer-Jungs in einer zusammengebastelten Kiste – und setzten uns weiter draußen irgendwo ab, in einem feinen Nieselregen. Dann kam ein alter Mann, der kein Wort sprach – nur Gott weiß, warum er uns mitnahm –, und brachte uns nach Shelton. Hier stand Eddie verloren vor einer gaffenden Bande von kleinen, vierschrötigen Omaha-Indianern am Straßenrand, die offenbar nicht wussten wohin und was tun. Jenseits der Straße war das Eisenbahngleis, und auf dem Wassertank stand: SHELTON. «Verdammt will ich sein», sagte Eddie staunend, «in dieser Stadt bin ich schon mal gewesen. Das war vor vielen Jahren, im Krieg, es war in der Nacht, spätnachts, und alle schliefen. Ich ging auf die Plattform raus, um eine zu rauchen, und da standen wir mitten im Nirgendwo, und alles war schwarz wie die Hölle, und ich schaue mich um und sehe das Wort Shelton auf dem Wassertank. Unterwegs zum Pazifik, alle schnarchten, jeder verdammte Trottel, und wir blieben nur paar Minuten stehen, Kohle laden oder so, und schon ging’s weiter. Hol mich der Teufel, dieses Shelton! Seither hab ich diese Stadt gehasst!» Und hier in Shelton blieben wir hängen. Genau wie in Davenport, Iowa, fuhren irgendwie nur Farmer in ihren Autos vorbei, und dann und wann ein Touristenwagen, was noch schlimmer ist, mit alten Männern am Steuer und ihren Ehefrauen, die auf Sehenswertes zeigten oder die Karten studierten und bequem zurückgelehnt alles mit misstrauischem Blick bedachten.
    Es tröpfelte stärker, und Eddie fing an zu frieren; er hatte sehr wenig an. Ich fischte ein kariertes Wollhemd aus meinem Seesack, und er zog es an. Jetzt ging’s ihm besser. Ich hatte Schnupfen. Ich kaufte mir Hustenbonbons in einem armseligen Indianerladen. Dann ging ich in das winzige Postamt und schrieb meiner Tante eine Postkarte. Und wieder stellten wir uns an die graue Straße. Da stand es vor uns, Shelton, in Großbuchstaben auf dem Wassertank. Der Rock-Island-Express donnerte vorbei. Verschwommen sahen wir die Gesichter der Pullmanpassagiere vorbeifliegen. Der Zug jaulte durch die Prärie, dem Ziel unserer Sehnsucht entgegen. Es regnete immer stärker.
    Ein hochgewachsener schlanker Typ mit Gallonen-Hut bremste auf der falschen Straßenseite und kam zu uns rüber; er sah aus wie ein Sheriff. Wir legten uns insgeheim unsere Geschichten zurecht. Gemächlich kam er herübergeschlendert. «Na, Jungs, fahrt ihr irgendwohin oder bloß so rum?» Wir verstanden die Frage nicht, aber es war eine verdammt gute Frage.
    «Wieso?», fragten wir.
    «Na, ich hab da unten an der Straße, ein paar Meilen weiter, einen kleinen Rummelplatz und suche ’n paar willige Burschen, die arbeiten und sich ’n Dollar verdienen wollen. Hab die Konzession fürs Roulette und die Konzession für ein

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