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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Wurfspiel, wisst ihr, diese Holzringe, die man nach Puppen wirft, um sein Glück zu versuchen. Wenn ihr bei mir arbeiten wollt, kriegt ihr ein Drittel der Einnahmen.»
    «Kost und Unterkunft?»
    «Ein Bett kriegt ihr bei mir, aber kein Essen. Verpflegen müsst ihr euch in der Stadt. Wir kommen viel rum.» Wir überlegten es uns. «Is ’ne gute Gelegenheit», sagte er und wartete geduldig auf unsere Entscheidung. Wir kamen uns blöd vor und wussten nicht, was wir sagen sollten, und ich zumindest wollte nicht auf einem Rummelplatz hängenbleiben. Ich hatte es verdammt eilig, die Clique in Denver wiederzusehen.
    Ich sagte: «Ich weiß nicht, ich will möglichst schnell weiter und hab glaube ich keine Zeit.» Eddie sagte auch so was, und der Alte winkte mit der Hand und schlenderte lässig zu seinem Wagen zurück und fuhr weg. Und das war’s dann. Wir lachten noch eine Weile darüber und spekulierten, wie es wohl gewesen wäre. Ich hatte Visionen von finsteren staubigen Nächten in der Prärie, sah Familien von Nebraska-Farmern vorbeimarschieren mit ihren rosigen, alles ehrfürchtig bestaunenden Kindern und wusste, ich hätte mich ganz beschissen gefühlt, hätte ich sie mit all diesen billigen Jahrmarkttricks übers Ohr gehauen. Und das Riesenrad kreiste in der Dunkelheit über dem flachen Land und, Allmächtiger, diese trostlose Musik vom Karussell, während ich doch weiter wollte zu meinem Ziel – und dann schlafen in einem Bett aus Sackleinen in einem vergoldeten Zirkuswagen!
    Eddie erwies sich als ziemlich geistesabwesender Reisekumpel. Irgendwann kam eine komische alte Kiste vorbei, am Steuer ein alter Mann; sie war irgendwie aus Aluminium, ein viereckiger Kasten – ein Wohnwagen zweifellos, aber ein sonderbarer, verrückter Wohnwagen der Marke Nebraska-Eigenbau. Er fuhr sehr langsam und hielt. Wir rannten hin; der Mann sagte, er könne nur einen mitnehmen; ohne ein Wort sprang Eddie auf und rumpelte langsam davon, und mit ihm mein kariertes Wollhemd. Na, weg mit Schaden, ich winkte dem Hemd Lebewohl; es hatte sowieso nur einen sentimentalen Erinnerungswert für mich. Lange stand ich in unserem gottverdammten schicksalhaften Shelton, lange, mehrere Stunden lang, und dauernd kam es mir so vor, als würde es Abend werden; tatsächlich war es erst früh am Nachmittag, aber schon finster. Denver, Denver, wie sollte ich je nach Denver kommen? Ich wollte schon aufgeben und dachte daran, mir einen Kaffee zu leisten, da hielt ein ziemlich neuer Wagen mit einem jungen Mann am Steuer.
    «Na, wohin?»
    «Denver.»
    «Ich kann dich hundertsechzig Kilometer in die Richtung mitnehmen.»
    «Phantastisch, phantastisch, Sie haben mir das Leben gerettet.»
    «Bin früher selber getrampt, darum nehme ich immer einen Kumpel mit.»
    «Täte ich auch, wenn ich ein Auto hätte.» Und so redeten wir, und er erzählte mir sein halbes Leben, das nicht besonders spannend war, und ich schlief ein Weilchen und wachte direkt vor der Stadt Gothenburg auf, wo er mich absetzte.

vier
    Die sagenhafteste Mitfahrgelegenheit meines Lebens sollte jetzt kommen, ein Lastwagen mit flacher Pritsche, darauf sechs, sieben Jungen ausgestreckt, und die Fahrer, zwei junge blonde Farmer aus Minnesota, sammelten jede Menschenseele auf, die sie am Straßenrand fanden – die zwei lustigsten, fröhlichsten, nett aussehenden Holzköpfe, die zu treffen man sich wünschen konnte, beide in Baumwollhemden und Latzhosen und sonst nichts; beide muskelbepackt und aufrichtig, mit einem breiten Hallo-Lächeln für jeden, der ihnen über den Weg lief. Ich rannte hin und sagte: «Ist noch Platz?» Sie sagten: «Klar, spring auf, is’ Platz genug für alle.»
    Ich war noch nicht auf der flachen Pritsche, als der Laster schon losdonnerte; ich taumelte, ein Mitfahrer packte mich, und ich ließ mich nieder. Jemand reichte eine Pulle Fusel herum, das heißt den traurigen Rest. Ich trank einen kräftigen Schluck in der wilden, poetischen Tröpfelregenluft von Nebraska. «Yippieee, los geht’s!», schrie ein Junge mit Baseballkappe, und die beiden vorn jagten den Laster auf hundertzehn Sachen und überholten alles. «Wir sind schon seit Des Moines mit diesem Hurensohn von Karre unterwegs. Die Kerle machen nie Rast. Dann und wann musst du schreien, wegen ’ner Pinkelpause, sonst musst du in den Wind schiffen und dich dabei festhalten, Bruder, gut festhalten.»
    Ich sah mir die Gesellschaft an. Da waren zwei junge Farmerburschen aus North Dakota mit roten Baseballkappen, was die

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