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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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großen maisgepäppelten weißen Zähnen.
    Alle hatten sich in dem Restaurant um sie versammelt, bis auf Gene und seinen Schützling, die zwei Landstreichertypen. Als wir zurückkamen, saßen sie immer noch auf dem Lastwagen, einsam und trostlos. Jetzt brach die Dunkelheit herein. Die beiden Fahrer wollten erst mal eine rauchen; ich nutzte die Gelegenheit, um schnell eine Flasche Whisky zu holen, zum Warmhalten in der pfeifenden kalten Nachtluft. Sie lächelten, als ich es ihnen sagte. «Lauf schon, mach schnell.»
    «Sie können auch ’n Schluck abhaben», beteuerte ich.
    «O nein, wir trinken nie, lauf nur.»
    Montana Slim und die beiden Highschool-Typen wanderten mit mir durch die Straßen von North Platte, bis wir einen Schnapsladen fanden. Sie warfen was dazu, auch Slim, und ich kaufte eine Flasche. Hochgewachsene Männer mit mürrischen Mienen beobachteten uns aus Häusern mit falschen Stuckfassaden; die Hauptstraße war gesäumt von quadratischen Schachtelhäusern. Endlose Ausblicke auf die Prärie öffneten sich hinter jeder der traurigen Seitenstraßen. Ich spürte, dass in der Luft von North Platte etwas anders war, aber ich wusste nicht, was es war. Fünf Minuten später wusste ich’s. Wir stiegen wieder auf den Laster und brausten los. Es wurde rasch dunkel. Wir tranken alle einen Schluck, und als ich mich umschaute, waren die grünen Felder am Platte River plötzlich verschwunden, und stattdessen sah man, so weit das Auge reichte, weite Ödlandflächen, nur Sand und Gestrüpp. Ich staunte.
    «Was zum Teufel ist das?», schrie ich zu Slim hinüber.
    «Das Weideland, Mann. Gib mal die Flasche rüber.»
    «Yippieee!», schrien die Schuljungen. «Leb wohl, Columbus! Was würden Sparkie und die anderen sagen, wenn sie hier wären. Juhuu!»
    Die Fahrer vorne hatten gewechselt; der ausgeruhte Bruder holte das Letzte aus dem Laster heraus. Auch die Straße hatte sich verändert: bucklig gewölbt in der Mitte, mit weichen Banketten und metertiefen Straßengräben auf beiden Seiten, sodass der Truck von einer Straßenseite zur anderen holperte und schlingerte – wunderbarerweise nur dann, wenn keine Autos entgegenkamen –, sodass ich schon dachte, wir würden gleich alle Purzelbaum schlagen. Aber die beiden waren unwahrscheinliche Fahrer. Wie dieser Lastwagen die Nase von Nebraska – die Ausbuchtung, die über Colorado hinausragt – hinter sich brachte! Und bald wurde mir klar, dass ich jetzt endlich in der Höhe von Colorado war, noch nicht offiziell über die Grenze, aber mit Blickrichtung nach Südwest, nach Denver, ja, das nur noch ein paar Hundert Kilometer entfernt war. Ich schrie vor Freude. Wir reichten die Flasche herum. Die großen blinkenden Sterne kamen heraus, die Sandhügel in der Ferne verblassten. Ich fühlte mich wie ein Pfeil, der von der Sehne auf sein Ziel zuschnellte.
    Und plötzlich richtete sich Mississippi Gene vor mir aus seiner geduldig hockenden Träumerei auf, öffnete seinen Mund, beugte sich herüber und sagte: «Diese Ebenen erinnern mich an Texas.»
    «Bist du aus Texas?»
    «Nein, Sir, ich bin aus Green-vell Mass-zippy.» So sprach er es aus.
    «Und wo kommt der Junge her?»
    «Hat Schwierigkeiten gehabt, zu Hause in Mississippi, drum hab ich angeboten, ihm rauszuhelfen. Der Kleine war noch niemals fort von daheim. Ich kümmere mich um ihn, so gut ich kann, er ist noch ein Kind.» Gene war ein Weißer, aber er hatte was von der Weisheit und Müdigkeit eines alten Negers an sich, auch etwas, das stark an Elmer Hassel erinnerte, den New Yorker Drogensüchtigen, aber einen Eisenbahn-Hassel, einen reisenden, epischen Hassel, der jedes Jahr ein paarmal das Land durchquerte, nach Süden im Winter und Norden im Sommer und nur, weil er nirgends bleiben konnte, ohne dass es ihn anödete, und weil es für ihn kein Zuhause gab, nur die ewige Ferne, immer auf Achse unter den Sternen, meistens den Sternen des Westens.
    «Bin ein paarmal in Og-den gewesen. Falls du nach Og-den mitkommen willst, ich hab da Freunde, bei denen wir unterkriechen können.»
    «Ich will von Cheyenne direkt nach Denver.»
    «Unsinn, fahr doch durch, so ’ne Chance kriegste nicht jeden Tag.»
    Auch dies war ein verlockendes Angebot. Was war in Ogden los? «Was gibt’s in Ogden?», fragte ich.
    «Das ist die Stadt, wo die meisten von uns vorbeikommen und sich jedes Mal wiedersehen; da kannst du jeden treffen.»
    In meinen früheren Jahren bin ich mal zur See gefahren mit einem großen, grobknochigen Kerl aus

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