Unterwelt
bedrängen ihn immer noch, daß er Gags aus seiner Show bringt.
Sie wollen, daß er »Harty har-har« sagt.
Der Hauptschiedsrichter an der Home Plate steht mit der Maske in der Hand da, sieht in seinem Aufzug fast wie die Karikatur eines Engländers aus. Er führt Buch, zählt die Aufwärmwürfe des Werfers. Er ist das kleine verbissene Gewissen des Spiels. Selbst im Ruhezustand sieht man ihm seine Geschichte voller Verstrickungen an, voller staubstampfender Männer im Sonnenlicht, die ihm auf der Nase herumtanzen. Man kann es an seinem Gesicht erkennen, vorgerecktes Kinn, angestrengter, finsterer Blick unter der Stirn. Wenn die Zahl acht erreicht ist, schickt er einen Strahl durch die Zähne und macht sich daran, mit seinem Handfeger die Gummiplatte der Home Plate zu säubern.
Auf der Tribüne zieht Bill Waterson seine Jacke aus und läßt sie am Finger baumeln. Sie ist zerknittert und übel zugerichtet und kommt ihm wie ein lebendiger Körper vor, dem er vielleicht gern die Leviten lesen würde. Nach einer Pause legt er sie doppelt zusammen und läßt sie auf seinen Platz fallen. Cotter hat sich wieder hingesetzt, überwiegend umgeben von Leuten in der Senkrechten. Bill ragt über ihm auf, ein ansehnlicher Kerl, dem Aussehen nach ein ehemaliger Sportler, der in der Mitte dick wird, sein Hemd ist unter den Armen feucht. Glück im siebten. Cotter braucht nur einen lumpigen Run, um nicht zu verzweifeln – den billigsten, herausgeschundensten, unverdientesten Run, der je herausgeholt wurde. Andernfalls gibt er gleich auf. Das kennt man doch, wie es läuft, wenn man vor dem Ende aufgibt, und dann kommt die Mannschaft noch mal ganz groß raus, und man empfindet unbehagliche Scham, die einen beschleicht wie Teichschlick.
Bill sagt zu ihm hinunter: »Ich nehme das ernst, wenn im siebten Inning alle aufstehen und singen. Da heißt es nicht bloß durchstehen. Da muß man aufstehen und sich strecken, jawohl.«
»Ist mir schon aufgefallen«, sagt Cotter.
»Das ist nämlich eine Gewohnheit, die weitergegeben wird. Sie gehört dazu. Unsere eigene kleine Tradition. Stehen, Strecken – das ist gewissermaßen ein Privileg.«
Bill amüsiert sich damit, verschiedene stilisierte Streckübungen vorzufuhren, den Bodybuilder, die Hauskatze, und er versucht, Cotter dazu zu bewegen, einen Faulpelz im Klassenzimmer nachzumachen.
»Hast du mir eigentlich gesagt, wie du heißt?«
»Cotter.«
»Darum geht's nämlich beim Baseball, Cotter. Du machst dasselbe, was alle vor dir auch gemacht haben. Das ist die Verbindung. Es gibt eine richtig lange Linie. Ein Mann nimmt seinen Sohn mit zu einem Spiel, und dreißigjahre später, wenn der arme alte Trottel im Krankenhaus dahinsiecht, wird genau davon geredet.«
Bill schnappt seine Jacke vom Sitz und legt sie sich auf den Schoß, als er sich hinsetzt. Sekunden später steht er wieder, er und Cotter schauen zu Pafko, der den Ball so schnell wie möglich abgibt, damit die Giants keinen Triple schaffen. Ein leises Raunen erhebt sich, buschig und dicht, und die Fans lassen noch mehr Papier zum Fuß der Wand herabsegeln. Alte Einkaufslisten und Abschnitte von Eintrittskarten und zusammengeknüllte Zeitungsbällchen rieseln im fahlen Nachmittagslicht auf Pafko nieder. Weiter draußen auf dem linken Außenfeld bewerfen sie den Aufwärmplatz der Dodgers mit Papier, bewerfen die Gestalt des trainierenden Labine und des trainierenden Branca und ihre beiden Fänger, und auch die Männer unter dem abgeschrägten Dach, das aus der Wand vorspringt, die kaugummikauenden Männer, die nichts zu sagen haben.
Branca trägt die Nummer Dreizehn auf dem Rücken.
»Hab's dir ja gesagt«, sagt Bill. »Was hab ich dir gesagt? Ich hab's dir gesagt. Wir sind wieder im Kommen.«
»Wir müssen den Punkt erst noch machen«, sagt Cotter.
Sie setzen sich wieder hin und beobachten, wie der Schlagmann mit einem Blick direkt an der Linie entlang Durocher anpeilt, der in Zeichensprache aus der Trainerzone bei der Third Base nacheinander die Anweisungen durchgibt. Dann ist Bill wieder auf den Beinen, krempelt die Ärmel hoch und feuert die Spieler an, einfache Worte der herzhaften Ermutigung.
Cotter gefällt, wie deutlich die Absichten dieses Mannes sind, wie er auf Vertrauen und Zuversicht beharrt. Es gibt kein anderes Mittel gegen die Macht des Zweifels. Er glaubt, er ist dabei, Freundschaft zu schließen. Dieses Gefühl kommt von Bills gemütlicher Stimme und seiner umgänglichen, verschwitzten Turnhallenmassigkeit,
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