Unterwelt
einen dämonischen Ehemann, falls dämonisch eine Art Macht bedeutet, einen dienenden Geist der Disziplin und Selbstbeherrschung, den kleinen Ruck der Distanz, den er perfektioniert hatte, wie das Abschalten eines Radios. Sie wußte vom Verschwinden seines Vaters, aber da war noch etwas anderes, hart und abgetrennt. Das hatte sie zuallererst angezogen, diese riskante und erotische Angelegenheit.
Brian betrachtete die Fotos an der Wand bei der Tür.
»Welche ist sie?«
»Raus hier«, sagte sie.
Sie machte das Bett und tütete den Stoff ein und hängte den Morgenmantel in den Schrank zurück. Sie spülte das Glas, das Brian benutzt hatte, stand nackt in der Küchenecke, und es kam ihr vollkommen vernünftig und natürlich vor, alles miteinander, verdient, gebraucht, nackt, und sie duschte und zog sich an.
Sie fühlte sich ziemlich gut. Alles easy, so nach dem Motto. Als ob etwas nervt und sich hinschleppt, und plötzlich, ganz unerwartet läuft es irgendwie.
Sie hatte ein Gefühl, als würde ihr alles Gute zufliegen, was es ja normalerweise nicht tut. Sie würde es erkennen, wenn sie es mit ihren L.-A.-Augen sah.
Sie stand vorm Spiegel und rückte ihre Sonnenbrille zurecht. Denn wenn sie diese Sache nicht hätte, die sie planen und manövrieren und herbeisehnen konnte, diesen viel zu unregelmäßigen Brian, dann – das hätte sie ihm vorhin beinahe gesagt – würde sie einsam und zittrig werden, wenn sie unter loderndem Himmel über den geschmückten Highway fuhr, und vielleicht ein bißchen verwechselbar.
Sie fühlte sich gemocht. Sie mochte die Person, die sie heute war. Sie fühlte sich ein bißchen seelenträge. Sie fand heute alles, was irgendwie L.-A.-haft war, genau richtig. Sie wäre beinahe so weit gegangen, sich als mehr oder weniger euphorisch zu beschreiben, obgleich sie sich darauf nie voll und ganz einlassen würde.
Bevor sie ging, inspizierte sie das Zimmer ein letztes Mal. Das waren die Dinge, durch die allen heimlichen Arrangements die Welt erschlossen wurde, die geliehene Wohnung, die auswendig gelernte Telefonnummer und die kodierte Kalendernotiz. Kindische Spionagespiele eigentlich, die ihr mehr Schuldgefühle machten als der Sex, eine dämliche Art von Selbstvorwürfen. Sie klopfte ein Kissen glatt, um die Abdruckspuren zu entfernen. Sie wollte, daß alles unberührt aussah, damit Mary Catherine nichts dagegen hätte, wenn sie sie bat, das Zimmer wieder benutzen zu dürfen.
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10
E r schmierte die Mayonnaise. Er schmierte Mayonnaise aufs Brot. Dann klatschte er das Sandwichfleisch drauf. Er schmierte nie die Mayonnaise aufs Fleisch. Er schmierte sie aufs Brot. Dann klatschte er das Fleisch drauf und beobachtete, wie die Mayo an den Ecken hervorquoll.
Er nahm das Sandwich mit ins nächste Zimmer. Sein Dad sah fern, in seiner typischen Periskophaltung, gekrümmt, als würde er sonst auf den Teppich fallen. Sein Dad hatte Krankheiten, die noch auf ihren Namen warteten. Sachen, die man gegeneinander aufrechnen mußte. Wenn die eine ein bestimmtes Medikament brauchte, wurde ein anderer davon schlimmer. Es gab Rückschläge und Nebenwirkungen, es gab einen Medikamentenplan, den Richard und seine Mutter bei den tagtäglichen Verrenkungen von halben Dosierungen und Warnschildern und Kommt-drauf-an und Nicht-vergessen im Auge zu behalten versuchten.
Richard aß ungefähr das halbe Sandwich und ließ den Rest auf der Sessellehne liegen. In der Küche rief er seinen Freund Bud Walling an, der vierzig Meilen entfernt im Nirgendwo lebte und eigentlich gar nicht sein Freund war.
Er fuhr raus zu Bud, zwischen früheren Feldern hindurch, die schon als Bauland ausgeschildert waren, an schmalen Pfosten standen Fledderzettel steif im Wind. Hier draußen war der Wind eine Kraft, die das Denken ergriff. Du bist schon eine Viertelmeile an der High School vorbei und hörst immer noch, wie die große Fahne klatscht und die Falleine nautisch gegen den Mast schlägt, und du treibst dein Auto in den Wind hinein und siehst den Staub über die Straße fegen und fährst in einen weißen Himmel hinein und fühlst dich nutzlos und dumpf.
Buds Behausung hätte von den Bergen heruntergeweht sein können. So als wäre sie in einem natürlichen Überschwang hier abgelegt worden, mit Holz, das sich im Hof verzog, und aufklaffenden Türen und einer unfertigen Veranda auf Hohlziegeln, die so tief war, daß das Haus wie im Sand versunken wirkte. Bud hatte einen Hund, halb Kojote, halb Straßenköter, der in einer
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