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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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wärst unterwegs zu dem Typen, um seinen Müll abzuholen und wo hinzubringen.«
    »Hab'n hier hingebracht. Hier isser, der Müll. Hab den Kofferraum aufgefüllt, während die noch beim Essen saßen. Dann hab ich mir den Innenraum vorgenommen, beim Rücksitz angefangen. Schieb die Kiste rüber und steig ein.«
    Manx öffnet die Tür, stellt die Pfirsichkiste auf die Fußmatte und setzt sich, versucht, seine Füße rechts und links von der Kiste unterzubringen.
    »Wo soll's denn hingehn?« fragt Antoine.
    »Nicht weit. Aber schnell. Richtung 155. hoch. Wo bringste das Zeug überhaupt hin?«
    »Das fahr ich in die Bronx. Irngwo unter der Whitestone Bridge liegt ein Berg von Müll. Ich schmeiß den Scheiß raus und tret das Gaspedal durch.«
    »Tu mir 'n Gefallen, tu's jetzt schon«, sagt Manx zu ihm. »Wenn wir hier noch länger rumpalavern, sterb ich nämlich auf der Stelle.«
    »Nur die Ruhe. Ich bring dich hin, wo du hinmußt.«
    Antoine setzt das Fahrzeug in Gang. Er fährt ruhig und gelassen, schickt das Auto den Broadway hoch wie einen Giftpfeil.
    Manx wird klar, warum die Schneeschaufeln nicht im Wagen waren, wie er Antoine vorher gebeten hatte. Kein Platz für Schaufeln in dem Wagen.
    Dann merkt er, daß sie die Schaufeln in der Bar vergessen haben. Ob nun da oder anderswo. Bloß morgen werden sie bestimmt nicht mehr da sein. Also kann man den kleinen Coup auch von der Liste streichen.
    Und als letztes fällt ihm noch ein, daß Antoine ihm den ganzen Abend gesagt hat, er soll sich den Durchblick verschaffen. Und der fährt einen DeSoto voller Müll.
    »Setz mich einfach da vorne ab.«
    »Ich bring dich hin, wo du hinmußt.«
    »Broadway is mir recht«, sagt Manx.
    Der Gestank bringt ihn um, reißt ihn aus seinem abgeschotteten Whiskeyzustand, der schon den ganzen Tag schwelt.
    Der Müll rumpelt und matscht vor sich hin, er hat ein Eigenleben, schiebt sich wie eine gärende musige Drohung aus den Tonnen und Kisten hoch, er ist geräuschvoll und ruhelos, aber vielleicht wimmelt da bloß das Ungeziefer, dem auch schon ganz schlecht ist.
    »Hier is recht«, sagt Manx, »da an der Ecke.«
    »Sagste mir nich, wo du hingehst?«
    »Ich kann dir sagen, wo's für dich hingeht, wenn du diesen Müll zur Whitestone Bridge bringen willst. Du fährst über den Fluß und nimmst die 161., die geht, glaub ich, in beiden Richtungen, und zwar bis, dann kann nix mehr schiefgehn, bis zum Bruckner Boulevard.«
    Antoine schaut ihn an. Manx ist schon aus dem Auto raus und steht auf dem Bürgersteig, und Antoine schaut ihn an, ungerührt hinter dem Steuerrad. Ein langer, träger Schlangenaugenblick.
    »Oder ich schmeiß alles auf die Straße.«
    »Dacht ich mir's doch. Genau das hab ich mir gedacht.«
    »Während die Stadt schläft«, sagt Antoine. »Und die Bullen Fischsuppe fressen.«
    Manx sieht dem abfahrenden Wagen nach. Das Gefühl leerer Straßen nach Mitternacht und der Wind vom Hudson, als er ostwärts geht. Der Ganove in seinem Rücken. Der schneidende Wind, der lose Abfälle über die Straße schlittern läßt.
    Womöglich hat Antoine doch schon abgekippt.
    Jetzt würde er gerne ein Alka-Seltzer sehen, das wär's, wie es in einem Glas kalten Wasser von oben nach unten bizzelt.
    Er geht die lange Rampe hinunter, das Stadion zu seiner Linken, die Polo Grounds, und hält nach Leuten Ausschau, die Schlange stehen oder sich auf dem Pflaster mit Decken und Essen zusammengekauert haben, die Durchmacher, die Männer und Jungen, die wild auf die Eintrittskarten sind, die Kinder, die von den Wucherern dafür bezahlt werden, in der Kälte zu stehen und Karten zu kaufen, um die sich die verzweifelten Fans morgen schlagen werden, koste es, was es wolle.
    Hier ist es totenstill. Und Manx hat ein schales, saures Gefühl, die typische unruhige Magenverstimmung, wenn man zu viel auf leeren Magen trinkt, obwohl er doch weiß, daß er was gegessen hat, er erinnert sich an den Teller, den Ivie ihm übrig gelassen hat, schmeckt den falschen Hasen und das Gemüse, aber da ist ein reißendes Ziehen, als würde er völlig trockengesaugt.
    Jetzt hat er die Eighth Avenue erreicht, schlendert am äußeren Rand des Stadions entlang, sucht nach einem Zeichen, daß irgend jemand noch lebt. Hier ist es steinkaltstill.
    Was hat eine Pyramide auf einem US-Geldschein zu suchen? Diese Frage sollte man sich allerdings stellen.
    Das einzige, was er sieht, ist ein Hund von der Schleichersorte, hat so oft Tritte abgekriegt, daß er lieber beschließt, es waren

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