Unterwelt
keinen Durchblick. So was bringt nämlich nichts.«
»Wir haben aber im voraus gesagt.«
»Lohnt sich nicht, drüber zu streiten. Du hast recht, ich hab unrecht. Aber du hast keinen Durchblick.«
Sie sitzen eine Weile da und trinken, und Manx denkt daran, zu gehen, aber er rührt sich nicht von seinem Stuhl. Er denkt daran, seine Schaufeln zu nehmen und zu gehen, aber er sitzt weiter da, denn wenn er erst mal aufgestanden ist und die Schaufeln von der Wand genommen hat, dann muß er durch die ganze Bar, Anfang Oktober mit zwei Schneeschaufeln, und er weiß keinen vernünftigen Ort, wo er sie hintun soll, und wenn er nur dran denkt, wenn er sie nur sieht, dann bleibt sein Arsch wie angeklebt auf dem Stuhl.
Statt dessen holt er den Baseball heraus und legt ihn auf den Tisch. Und dann wartet er darauf, daß sich Antoine einen Augenblick Zeit nimmt, egal wieviel er um die Ohren hat, und gefälligst mal den Ball bemerkt.
»Mein Junge hat ihn von dem Spiel mit nach Hause gebracht, mein Jüngster, er sagt, das war der Home Run, der das Spiel entschieden hat.«
»Von dem Spiel, das heute gelaufen ist?«
»Stimmt genau«, sagt Manx.
»Ich hab Leute auf der Seventh Avenue gesehen, die haben die halbe Stadt zusammengebrüllt. Hände auf der Hupe und aus den Fenstern rausgebrüllt. Ich sag zu Willie Mabrey, kennst du Willie? Ich sag, die machen anscheinend die Tresore auf. Die Banken machen ihre Tresore auf. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ich sage, Los, wir holen uns, was uns zusteht.«
»Mein Jüngster. Kommt mit dem Ball nach Hause. Das ist der Ball, den Dingsbums in die Tribünen geschlagen hat. Der Sieger des Spiels. Hat die Meisterschaft gewonnen.«
Manx fühlt sich unbehaglich, losgelöst von dem, was er sagt – es kommt aus seinem Mund wie eine Lüge, so wie eine Lüge eben in der Luft hängt, egal ob wahr oder falsch, man hat das Gefühl, nicht verantwortlich zu sein.
Er verspürt einen Drang, den Ball vom Tisch zu nehmen und einzustecken.
»Das ist der Ball, den Dingsbums? Was soll genau das heißen?«
»Ich meine, der könnte was wert sein.«
»Und ich sage, du hast keinen Durchblick. Weil bei der Sachlage, da kannste gar nix beweisen. Und wem willste den überhaupt verkaufen?«
»Den verkaufe ich dem Verein. Den wollen die als Trophäe. Den stellen die aus.«
»Kann ich mir das Ding mal anschauen? Das Ding is ja ganz verschmiert.«
Manx wird klar, daß er gar nicht möchte, daß Antoine den Ball anfaßt. Antoine wird sich den Ball anschauen und irgendwas sagen, das ihn runterzieht, irgendwas, wovon Manx gereizt und bauchgrimmig wird, und er fühlt sich schon verspannt genug mit seinem rumorenden Magen.
Er nimmt den Ball und steckt ihn in die Tasche.
Antoine lehnt sich zurück, hebt die Hände, Handflächen nach außen, setzt sein altes Schlangengrinsen auf, frech und fies.
»Will dir mal was sagen. Vielleicht verkloppst du das Ding irgendwo. Aber daß du dir dafür 'n Sofa bei Ludwig Bauman's kaufst, seh ich noch nich«, sagt er. »Oder 'ne hübsche Eß – ecke.«
Manx geht an die Bar, um in Frieden was zu trinken. Nach einer Weile kommt Phil zu ihm, und sie reden ein paar Takte. Jetzt ist weniger Betrieb, nur noch ernsthafte Trinker da, sie reden von dem Spiel. Phil ist geradeaus, so groß wie eine Scheune, schaut dir gerade in die Augen. Er redet vom Spiel, und Manx hört aufmerksam zu, hofft auf einen Aufhänger, etwas, womit er weitermachen kann. Die Dodgers sind für dieses Jahr erledigt. Tot und begraben. Die Giants spielen in der World Series, die morgen anfängt – heute anfängt, sagt Phil und schaut auf die Uhr, denn inzwischen ist es nach Mitternacht.
»Gegen wen spielen die in der World Series?«
»Die Yankees, wen sonst?«
»New Yorker Heimspiel, mit anderen Worten.«
»Alles New York. Und die Leute stehen schon Schlange wegen Karten. Hab's im Radio gehört. Die ganze Nacht werden sie Schlange stehen. Schlafsäcke, ja. Würd selber gern hingehen.«
»Die ganze Nacht?« fragt Manx.
»Die Leute werden alles tun, um bei dieser World Series in die Spiele reinzukommen, wenn du mal bedenkst, wie die Giants es geschafft haben.«
Klingt gut, findet Manx. Die Leute werden alles tun. Er sagt, Phil soll sich einen auf seine Kosten genehmigen, er weiß, der Mann wird ablehnen, das tut er immer, und Manx fühlt sich ein bißchen schlangenhaft, das hat er bei Antoine abgeguckt.
Er geht mit einem leichten Schlurfer zum Tisch zurück.
»Läßt deinen Bruder im Regen stehen.«
»Weiß
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