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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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alles Streicheleinheiten. Manx kann nicht begreifen, wie sich Phil in dieser Sache irren konnte. Phil ist geradeaus. Wenn Phil sagt, die Fans stehen die ganze Nacht Schlange, um Karten zu kaufen, und dann gehst du hin und schaust dich um, und der Ort ist totenstill, dann mußt du dich wirklich fragen, wer dich da verrückt machen will.
    In Wirklichkeit ist es eine Nacht-und-Nebel-Spedition, Umzüge und Einlagerung. Sie rufen ihn an, und er arbeitet, tun sie's nicht, tut er's auch nicht.
    Jetzt erblickt er ein Auto, das an einer Ampel anhält, und er geht rüber, schlurfend, wie immer, wenn ihm die Dinge über den Kopf wachsen. Ein Mann sitzt am Steuer. Er sieht Manx kommen und kurbelt die Scheibe hoch, ein Weißer mit einem Gesichtsausdruck, der sagt, ich bin noch nicht bereit zu sterben. Manx macht eine Handbewegung. Er schüttelt die Hände in der Luft, nein nein nein nein – ich will doch nur was fragen. Und der Mann tritt das Pedal durch, weg ist er, egal, daß die Ampel noch rot ist, echt eindrucksvoller Kavaliersstart.
    Das Geräusch erstirbt in der nächtlichen Stille, und eine tiefe Ruhe legt sich wieder über alles. Das alte Stadion überragt die Avenue und schafft sein eigenes, immenses Schweigen, anders als die Straße und der Fluß. Im Sommer schwimmen noch Kinder im Hartem River, weit oben, wo er vom Hudson abzweigt, seine eigenen Jungens sind von einem Dock runtergesprungen, die Arme ein Gefuchtel – einen Augenblick lang sieht er sie in der Luft.
    Er macht sich Höllensorgen.
    Er fühlt sich etwas leer. Er fühlt sich mies und abgeschoben und ehrlich gesagt menschlich angewidert, und er möchte sich am liebsten hinlegen und schlafen. Er fühlt sich ein bißchen rumgeschubst. Er möchte gern irgendwie, durch irgendwen zu Geld kommen.
    Eins zu zehn Millionen, daß der Verein ihn überhaupt reinläßt. Er muß die zahlenden Fans finden. Er ist ja nur auf das Auto zugegangen, um zu fragen, wo sie sind. Und das Gesicht hinter dem Steuer, das sagt, Bitte schneid mich nicht in kleine Stücke.
    Er schaut über die 155. Straße, südwärts zu den Mietshäusern, und er sieht eine Frau, die unter dem Kraft des Gebets-Zeichen steht und ihre Dienste anbietet.
    Er hört ein Geräusch von der anderen Seite des Flusses.
    Wozu die ganzen Geheimcodes auf dem US-Dollar, wenn nicht, um einen von den Leuten zu trennen, die Bescheid wissen?
    Er hört etwas. Er ist bereit, nach Hause zu gehen, wo soll er sonst hin außer nach Hause, es sei denn, er findet noch eine offene Bar, und er weiß, er muß runter in die U-Bahn und in einem leeren Bahnhof auf einen Zug warten, noch so was Runterziehendes, muß auf dem langen Bahnsteig stehen und warten, vielleicht eine halbe Stunde, und er hört ein Geräusch von der anderen Seite des Flusses, weit weg, aber deutlich, so wie Stimmen eben nachts über Wasser getragen werden.
    Er steht neben der Brückenauffahrt und lauscht. Männer singen, der Klang vieler, vieler Stimmen, einige stolpern hinterher, lärmend und holperig, und er kennt die Melodie.
    Sie singen, Ritt auf einem Pony.
    Sie singen, Steckt sich 'ne Feder an den Hut.
    Sie singen, Nennt es Makkaroni.
    Und er hört Gelächter über den Fluß treiben, und endlich begreift er. Nicht der Barkeeper hat den Fehler gemacht. Phil hat nie gesagt, die Leute würden bei den Polo Grounds Schlange stehen. Er hat das Stadion gar nicht genannt. Manx hat den Fehler gemacht. Weil sie am Yankee-Stadion Schlange stehen, auf der anderen Seite des Flusses. Die Giants spielen nämlich gegen die Yankees im Yankee-Stadion, und die Stimmen werden so deutlich herübergetragen, als würde ihm einer ins Ohr flüstern.
    Er hört eine Gruppe Fans und ihren Sprechchor, Say Hey Willie, das sind natürlich Fans der Giants, sie meinen Willie Mays und singen sein Lob.
    Und er hört den Sprechchor, als die Fans der Yankees antworten, die singen den alten Joe-DiMaggio-Juckel-Song aus der Vorkriegszeit, den haben sie, glaubt er, damals in jedem Radiosender des Landes gespielt, komm auf unsre Seite, alles draufgängerisch und gutmütig, und seine Laune hebt sich, er gibt dem Ball einen Klaps mit der flachen Hand, da, wo er in seiner Jackentasche steckt, die perfekte Rundung und Härte eines Gegenstandes, auf den es ankommt.
    Er geht über die Drehbrücke und hört sie in den Straßen, und dann sieht er sie auch. Sie gehen durch den öffentlichen Park zum Stadion, über die Grünflächen und Wege, und sie kommen von der Hochbahn herunter, Männer und Jungen in

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