Unterwelt
Lehrer arbeiteten, und hatte mit Feder-und-Tusche-Zeichnungen angefangen, westindischen Collagen, nach ihrer eigenen Darstellung in der denkbar plattesten Weise, dann hatte sie eine Affäre mit einem Mitglied der Blackstone Rangers, einer äußerst beachtlichen Straßengang, und irgendwann hatte sie die Nase voll und ging nach Los Angeles, wo sie einen Soziologieprofessor heiratete, sich an der Kunstakademie von Kalifornien einschrieb und scheiden ließ und ihr Karma als Malerin fand.
Als Klara ihre Arbeiten zum ersten Mal sah, erzählte sie allen, wie gut sie waren, und bald hatte Acey an der Westküste davon gehört. Irgendwann folgte sie ihren Bildern gen Osten. Vorübergehend wohnte sie im Chelsea Hotel und teilte sich irgendwo in Brooklyn ein Atelier mit jemandem.
»Was ist mit dir?« fragte sie.
»Ich, ich mußte erst mal eine Karriere aufbauen, bevor ich mir darüber Gedanken machen konnte, sie zu verlieren. Das war nicht leicht. Ich zahle und zahle.«
»Eine Familie«, sagte Acey.
»Ich habe eine Familie zerstört, ja. Ich ging fort, ich kam zurück, ich nahm meine Tochter eine Zeitlang zu mir. Bei ihrem Vater war sie besser dran, und das verstand ich auch, aber es setzte mir zu, so getrennt zu sein. Es ging mir sehr schlecht. Natürlich ging es uns allen sehr schlecht. Sie kam an den Wochenenden oder wann runter, um mich zu sehen. Er fuhr mit ihr in der U-Bahn und lieferte sie an der Tür ab, weil er mich nicht zu Gesicht bekommen wollte.«
»Was wäre ihm denn dann passiert?«
»Und dann kam er zurück und holte sie ab, und ich durfte nicht die ganzen Treppen mit nach unten kommen. Bis zum ersten Stock durfte ich sie begleiten. Ich lebte ganz weit unten, downtown, in einem völlig abgewrackten Haus, und wir hatten es so arrangiert und verabredet, daß ich sie bis zum ersten Stock begleiten und den Rest des Weges allein gehen lassen würde, da er mich sonst zu Gesicht bekommen würde. Was wäre ihm dann passiert? Irgendwas, ich weiß nicht, Katastrophales.«
»Aber ihr habt telefoniert.«
»Wir haben telefoniert. Einsilbig. Wir klangen wie Spione, die kodierte Botschaften weitergeben. Es war eine sehr haßerfüllte Zeit. Aber als sie erst mal älter war, hörte es auf mit den Anrufen. Sie und ich trafen unsere eigenen Verabredungen. Albert war endgültig weg.«
»Und sie?«
»Teresa haßt mich nicht. Vielleicht noch schlimmer. Ich glaube, sie haßt sich selbst. Sie war irgendwie ein Teil dieses Scheiterns. Ich mag nicht darüber reden.«
»Gehen wir ein Stück spazieren.«
»Ja, über die Brücke. Schon mal gemacht?«
»Du vergißt, ich bin neu hier, Lady.«
Aceys bestes Werk gehörte zu einer Serie über die Blackstone Rangers. Winter in Chicago, junge Männer in Sweatshirts mit Kapuze, grämlich und träge gewalttätig, vor vernagelten Fenstern zusammengekauert oder auf einem demolierten Sofa im Schnee sitzend, und Klara fand diese Bilder nur in einer Hinsicht überaus modern, die Figuren wirkten nämlich fotografiert, offen posierend oder ahnungslos erwischt, manchmal ganz bewußt distanziert, hinter ihnen ein massiger Sozialbau, oder ein Mann war darauf, mit schweren Lidern und blauer Strickmütze und einer von diesen aufgeblähten Polyesterjacken und einer Pistole mit Bananenmagazin man merkt, wie Acey das oberflächlich Fotografische Lügen straft, indem sie das ganze Bild auf dem Bogen des Ladestreifens schweben läßt, unbeschreiblich.
Leute auf dem Dach, Esthers Gäste, die vor der Swingband auf dem Plattenspieler in der Wohnung flüchten, und Esthers Mann, der auch nach draußen kommt, Jack, denn er gehört zu den Männern, die vergehen, wenn man sie zwanzig Sekunden allein läßt.
Sie liebte den kleinen Tempel auf der anderen Straßenseite, eine Fassade im obersten Geschoß mit einer Reihe zurückgesetzter Fenster hinter kannelierten Säulen, ob da überhaupt wer lebte?
Sie fühlte sich gut. Zur Abwechslung fühlte sie sich glücklich. Sie schlief gut und legte Geld auf die hohe Kante und traf sich wieder mit Freunden.
»Was liest sie da?« fragte jemand, gemeint war die Frau auf dem Mauervorsprung mit dem Kinderglas und dem Taschenbuch.
»Sieht von hier aus nach einem Krimi aus«, sagte Jack. »Jede Menge moralische Verrohung. So was lesen die Leute im Sommer.«
Er war ein großer, rotgesichtiger Bursche Jack Marshall, ein Presseagent vom Broadway, ständig kurz davor, tot umzufallen. Diese Typen kennt man. Sie knarzen und saufen wie der Teufel und schlafen nie, und die Pumpe
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