Unterwelt
und sie standen untereinander in Beziehung, waren verflochten und verknotet, glubschäugige Zeichentrick-Androiden, die sich in- und auseinander wanden, schwitzigheiß im Tanz der Leidenschaften – metallisches Silber und Blau und Chinakracherrot und mehrere Neongrüns.
Esther flüsterte mit zusammengebissenen Zähnen.
»Das ist er, das ist er, das ist er.«
Das war allerdings sein Zug, aber den jungen Mann selbst fanden sie nicht. Sie suchten nach der Adresse, Esther hatte sie von einem Reporter, der mal was über Graffitikünstler geschrieben hatte. Moonman hatte dem Mann nicht verraten, wie sein richtiger Name lautete oder wo er wohnte – nur sein Alter, sechzehn. Die Adresse stammte von einem anderen Jungen, der behauptete, zu Moonmans Crew zu gehören, und die beiden Frauen machten den Ort ausfindig, liefen über ein Gelände abgebrannter Häuser, ganze Häuserblocks im warmen Abriß, und weiter weg brannten noch welche. Sie blieben stehen und schauten.
Aus drei oder vier Häusern quoll träger Rauch. Keine Feuerwehrautos in Sicht, keine aufgeregten Leute, die sich hinter Barrikaden zusammenrotteten. Nur ein paar Passanten bei, wie es von hier aussah, ihren üblichen Alltagsbetätigungen. Sie schauten schweigend zu, und es war schwer, die Entfernung zu überbrücken. Die beiden Frauen konnten die ganze Sache schwer in einen Zusammenhang bringen. Es war wie die Nachrichtenmeldung von einer Stammesfehde in irgendeiner abgelegenen Provinz, wo die Generäle die Leber ihrer Widersacher kochen und in Plastiktütchen aufheben. Es war gespenstisch vor lauter Anderssein.
Endlich sagte Esther etwas. »Und hier hast du gewohnt?«
»Nein. Ich habe etwa eine Meile nördlich von hier gewohnt.«
»Na trotzdem, ich muß dir mehr Respekt erweisen.«
»Danke, Esther. Aber ganz so war es damals nicht.«
»Trotzdem, ich muß mich bemühen, freundlicher zu dir zu sein.«
»Nur zu«, sagte Klara.
Sie wußten, es war keine besonders gute Idee, endlos dort stehen zu bleiben, und als sie die 157. Straße erreicht hatten und nach der Adresse des jungen Mannes suchten, gab es die Nummer nicht.
Sie betraten einige Bodegas und fragten beim Scheckauszahlungsbüro nach.
Die Leute sagten: »Mooney, wer ist Mooney?« Sie sagten: »Was für ein Mormone? Gibt keine Mormonen hier.«
Und die Frauen sagten: »Nein, nein, nein, nein. Moonman. Moonman uno cinco siete.« Und sie machten Spraybewegungen und sagten: »Graffiti, Graffiti.«
Esther trug eine Safarijacke wie eine Fernsehkorrespondentin, die in den rauchigen Hügeln nach Rebellen sucht, und im Ernst, wer konnte es ihr verdenken.
»Du siehst heute abend etwas chinesisch aus«, sagte Miles. »Jason nannte mich immer Schlitzauge.«
Sie sagte das mit ihrer kleinen Stimme. Sie fand sich selber klein, in Aussehen und Klang. Die Leute wurden größer, sie wurde kleiner, mehr oder weniger unsichtbar. Wenn Miles nicht da wäre, wie lange würde der Kellner brauchen, bis er sie bedient hätte?
»Jason. Kenne ich einen Jason?«
»Jason, mein zweiter Mann. Jason Vanover.«
Sie aßen Meeresfrüchte in der Mulberry Street, Miles ging gern in dieses Restaurant, weil ein Mafioso hier umgebracht worden war, in den Kopf geschossen von ein paar Typen aus einer rivalisierenden Familie oder vielleicht auch seiner eigenen Familie, oder von einer Familie, die gar nicht aus der Stadt stammte.
»Du erwähnst ständig Leute, die ich nicht kenne, von denen ich nie gehört habe, und du erwähnst sie so«, sagte er, »daß ich das Gefühl kriege, ich müßte wissen, von wem du redest, dabei ist es gar keine Frage, daß ich das überhaupt nicht kann.«
»Stimmt, das tue ich.«
»Menschen rauschen eher verschwommen an mir vorbei.«
»Es ist nur so, wenn ich wen kenne, habe ich das Gefühl, daß der Mensch, mit dem ich gerade von einer Person rede, sie automatisch auch kennen müßte, durch irgendeine menschliche Arithmetik«, sagte sie.
Miles war erkältet, er war immer erkältet, das fiel gar nicht auf, es verstand sich von selbst, er hatte Hustenanfälle und leicht trübe Augen, was keiner, der ihn kannte, irgendwie bemerkte – es gehörte zum ungeordneten, allgemein ungesunden Leben, den halben Mahlzeiten und den Reisen und dem unregelmäßigen Schlaf.
Er schaute sich nach bestimmten Silhouetten um, wuchtigen Männern, die womöglich zur Connection gehörten.
»Als meine Haare kürzer waren, sah ich noch chinesischer aus«, sagte sie.
»Was hat er gemacht?«
»Er war Marktanalyst, ein
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