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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Außenfeldes.
    Er sagt: »Glaube ich.«
    Pafko an der Wand. Dann sieht er nach oben. Die Leute denken, wo ist denn der Ball. Die kurze Verzögerung, das Anhalten der Zeit, ein Wimpernschlag. Und Cotter, der in Block 35 steht, sieht den Ball auf sich zukommen. Fühlt, wie sein Körper sich in Rauch auflöst. Als der Ball sich über das vorstehende Dach erhebt, verliert er ihn aus den Augen, und er denkt, der landet auf der oberen Tribüne. Doch bevor er lächeln oder schreien oder seinen Nachbar auf den Arm hauen kann. Bevor der Augenblick ihn überwältigen kann, taucht der Ball wieder auf, mit sichtbar wirbelnden Nähten, so nah trifft er auf, prallt in schrägem Winkel von einem Pfosten ab – überall schießen Hände hervor.
    Russ spürt die Menge ringsum, ein Schauer durchläuft die Tribünen, und dann schreit er ins Mikro, da ist ein Aufwallen von Farbe und Bewegung, stadionweit, ein aufsteigendes Krachen, Hände und Gesichter und Hemden, Gruppen hin und her wogender Männer, und er schreit regelrecht, seine Stimme hat eine Kraft, die er lang verloren glaubte – womöglich läßt sie gleich seine Schädeldecke hochgehen wie eine Comicrakete.
    Er sagt: »Die Giants sind Meister.«
    Ein überschnittener Line Drive. Thomson hat den Wurf getomahawkt, der Ball war überschnitten und ist in der unteren Tribüne verschwunden, und da steht Pafko bei dem 315-Fuß-Schild und schaut direkt nach oben, den rechten Arm an die Wand gestützt, und ein Wolkenbruch Papier kommt herunter.
    Er sagt: »Die Giants sind Meister.«
    Ja, die Stimme überschlägt sich, mit einem kleinen hysterischen Kitzeln im oberen Register. Aber vor allem wumms und flatsch. Er sieht Thomson als ersten herumhüpfen. Die Mütze des First-Base-Feldtrainers – der Feldtrainer an der First Base hat seine Mütze in die Luft geschleudert. Thomson hat einen Wurf auf Kinnhöhe angenommen und ihn erstklassig hart geschlagen. Der Ball ist zuerst hochgeflogen, dann abgesackt, hat die Verblendung der oberen Tribüne verpaßt und ist zwischen den Plätzen darunter verschwunden – reingeholt, verschluckt –, und die Spieler der Dodgers stehen da und glotzen, schon isoliert von dem Ereignis, dumpf in den Schatten zwischen den Tribünen starrend.
    Er sagt: »Die Giants sind Meister.«
    Die Crew johlt. Sie antworten den Dachtrommlern durch Schläge an Wände und Decke der Kabine. Leute klettern aufs Dach über der Spielerbank, und die Menge erzittert von ihrem eigenen Lärm. Branca auf dem Werferhügel in seiner gequälten Schlaffigkeit. Er hat einen hohen Fastball gebracht, einen Wurf, der leicht nach innen dreht, und der Kerl sollte ihn gefälligst durchlassen. Russ brüllt sich die heisere Kehle aus dem Leib, alle Malessen, alle krankhaften Erscheinungen und Beschwerden und alle Komplexe des Heranwachsens und jede unsanfte Erinnerung.
    Er sagt: »Die Giants sind Meister.«
    Viermal. Branca dreht sich um, hebt die Rosin Bag auf und schleudert sie wieder hin, jetzt auf dem Weg zum Clubhaus, mit schiefen Schultern – er begibt sich auf den langen, toten Marsch der Mühsal.
    Überall fallendes Papier. Russ weiß, daß er sich beruhigen sollte, das Mikro sollte jetzt den Klang des anschwellenden Getöses ringsum aufnehmen. Aber er kann nicht aufhören zu schreien, von ihm ist nichts übrig als Geschrei.
    Er sagt: »Bobby Thomson schlägt ihn in die untere Tribüne am linken Außenfeld.«
    Er sagt: »Die Giants sind Meister, und sie drehen durch.«
    Er sagt: »Sie drehen durch.«
    Dann bricht er in einen Schrei aus, rein, ohne Worte, einen Heuler aus alten Tagen – auf auf zum Fiedeln, Musik aus den Bergen auf WCKY, morgens um halb sechs. Das Ding kommt aus ihm rausgehüpft, ein Juchzer, vielleicht hevvy-ho oder auch oh-boyyy rückwärts oder irgend etwas ganz anderes – schwer zu sagen, wenn es keine Worte gibt. Und Thomsons Mannschaftskameraden, die sich bei der Home Plate versammeln, Thomson, der die Bases mit ausgelassenen Hopsern umrundet, mit Bocksprüngen – er ist jetzt für immer Bobby, ein wilder Bengel, zeitlos, und sein Atem jagt so sehr, daß er gar nicht weiß, ob er mit der ganzen Luft fertig wird, die da reingefegt kommt. Er sieht die Männer, die in einer durcheinanderpurzelnden Schlange an der Home Plate auf ihn warten, zum Knuffen und Puffen – seine Mannschaftskameraden, keine besseren Kumpel auf der Welt, und wie sie dreinschauen, ein überwältigendes Glück ist über sie hereingebrochen, ihre Augen leuchten unter den Mützen.
    Er hat den

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