Unterwelt
sich durch eine Reihe, die zwei Reihen vom Geschehen entfernt ist. Er überlegt, er ahnt etwas, es ist dieses Gefühl, gleich passiert was, und dann beobachtet man, wie es haargenau so kommt, geradezu in gleichmäßigen Etappen, damit man sehen kann, wie die Zahnrädchen der eigenen Phantasie ineinandergreifen.
Er hat den Wurf hart geschlagen, und der Ball ist rausgeschossen und abgetaucht und verschwunden. Und Thomson ist mit einem Satz auf der Home Plate, angetrieben von seinen Mannschaftskameraden, die sich mit schuffelnden Schritten und ausgestreckten Händen vorwärtsbewegen, damit sie einander nicht mit den Spikes verletzen. Und die herbeiflitzenden Fotografen, die breitbeinig in Stellung gehen, und die ersten Fans, die das Spielfeld entern, die ersten vereinzelten, die ehrfürchtig dastehen oder herumsausen, um alles aus dieser Perspektive zu sehen, verblüfft, sich auf Höhe der Spielfläche wiederzufinden, oder beduselt und überdreht direkt auf Thomson zuzulaufen, in die Keilformation der Spieler an der Home Plate hineinzuwalzen.
Frank betrachtet sich das Malheur. Er steht mit ausgestreckten Händen da, die Handflächen nach oben, entgeistert, mundtot vor Ekel. Daß das hier passieren konnte, in der Öffentlichkeit, in der Hochstimmung des Großereignisses – seine fassungslose Verblüffung ist stärker als der Abscheu. Er schaut auf Jackies glänzenden Hinterkopf herunter, und er schaut auf seine eigenen Hosenaufschläge, die in intimem Beige gesprenkelt sind, und den Sabber auf seinen Schuhen, ein Muster wie von Bombeneinschlägen, und die zähsuppige Pfütze daneben, in der ein paar träge Flatschen schwimmen, irgendwie pink, aus den tiefsten Tiefen von Gleasons Magensack.
Und er nickt und sagt: »Meine Schuhe.«
Shor fühlt sich auf den Schlips getreten, er merkt, wie sich ein Ausdruck auf sein Gesicht schleicht, als würde es von einer schlechten Rasur brennen, lang ist's her, das Ziehen der Klinge und kaltes Wasser morgens.
Und er schaut Frank an und fragt: »Hast du den Home Run wenigstens gesehen?«
»Teils-teils.«
Und Shor sagt: »Soll ich mir jetzt die Zeit nehmen, dich zu fragen, welchen Teil du gesehen und welchen du verpaßt hast, damit wir irgendwann mal am Telefon drüber quatschen können?«
Manche Leute greifen sich in die Haare, halten ihr Hirn fest.
Frank stiert starrköpfig nach unten. Er läßt einen Fuß nach Backbord kippen, damit er die Seite des Schuhs auf Kotzespuren untersuchen kann. Das sind nämlich handgemachte Schuhe aus einer engen Gasse mit einem urigen Namen im ältesten Alt-London.
Und Shor sagt: »Wir haben gerade haushoch gewonnen, die nehmen hier den Laden auseinander, ich weiß nicht, ob ich lachen, weinen oder Scheiße schreien soll.«
Frank sagt: »Ich empfehle Nummer eins oder Nummer drei.«
Russ hält immer noch am Mikrofon die Stellung, hat noch ein Letztes zu sagen und kriegt es kaum raus.
»Die Giants haben gewonnen. Mit einem Stand von fünf zu vier. Jetzt heben sie Bobby Thomson hoch. Und tragen ihn vom Spielfeld.«
Wenn eine Spur Unruhe in seiner Stimme mitschwingt, so deshalb, weil er ins Clubhaus muß, um Spieler und Trainer und Mannschaftsfunktionäre zu interviewen, und man kommt nur zu Fuß dorthin, über die ganze Länge des Spielfelds, und er hat schon keine Puste mehr, keine Worte mehr, und die Menge wuchert über die Wände. Er sieht Thomson, der von einer Männerphalanx aus Spielern und anderen, überwiegend anderen, getragen wird – die Spieler haben die Beine in die Hand genommen, die Spieler rasen zum Clubhaus –, und er sieht Thomson rittlings und wacklig auf den Schultern von Männern, die ihn ebensogut gleich aus dem Stadion und auf ein Straßenfest schleppen könnten.
Gleason hängt in den Seilen, ein Wrack, ausgelaugt und gebeugt, und er kriegt kaum auf die Reihe, warum da eigentlich so viel geschrien wird.
Das Spielfeld übersät von Menschen, die Mützenklauer, die aufgeweckten Gören, die landende Flugzeuge imitieren, mit steil gereckten, ausgestreckten Armen.
Und da sehen wir Cotter unter einem Sitz.
Überall in der Stadt kommen die Leute aus ihren Häusern. So ist das nämlich mit Thomsons Home Run. Er treibt die Leute hinaus auf die Straße, zu den anderen, damit sie denen erzählen können, was passiert ist, den wenigen, die es noch nicht gehört haben – und um Gesichter und Geistesverfassung zu vergleichen.
Und Russ hat ein heißes Mikro vor sich und muß jemanden finden, der es übernimmt und redet, damit er
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